Heinz Strunk in Afrika
Berufsfußballer mit ebendiesem Modell ihr Vermögen verloren hätten. Interessiert ihn nicht. «… als Bauherr kann der Anleger nämlich einen Teil der Kosten als Werbungskosten geltend machen, die seine einkommenssteuerpflichtigen Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung verringern.» So begeistert habe ich ihn selten erlebt. Bauherrenmodell. Unsympathischer geht’s ja kaum noch. Ich kontere mit Paragraph acht, Absatz vier in Immobilienkaufverträgen:
Zufällige Verschlechterung und zufälliger Untergang:
«Die Gefahr eines zufälligen Untergangs und einer zufälligen Verschlechterung gehen am Tag der Abnahme … auf den Käufer über.»
Interessiert ihn nicht.
Er schürzt die Lippen und pfeift eine kleine Melodie. Schreckliche Unart, hoffentlich wird das nicht zur Gewohnheit. Er flötet mich noch ganz kaputt, jeder Pfiff ein Anschlag auf meine Nerven. Mir geht es nämlich gar nicht gut: ängstlich, zitterig, erschöpft, mutlos. Stupor. An den umliegenden Tischen sitzen keine Menschen, sondern Trolle und Nissen, furchtbare Mischwesen. C., dem mein Zustand nicht verborgen bleibt, unterbricht seine Mahlzeit und mustert mich lange und durchdringend: «Du solltest weniger trinken, Bursche. Schau
mich
an, ohne Alkohol wie ausgewechselt.» Jaja.
Nach dem Frühstück verzieht er sich ins Internetcafé, Mails checken und
Netzrecherche
. Was gibt’s denn da eigentlich die ganze Zeit zu recherchieren? Über Pudel wissen wir mittlerweile mehr, als uns lieb ist. Da ich ständig meine Passwörter vergesse, kann ich nicht ins Netz; gut so, rede ich mir ein, mal zwei Wochen nicht am Tropf des Internets zu hängen. Ich besorge mir Bildzeitung und Snickers und schleiche zum Plumpspool. Total verwaist, na, mir soll’s recht sein. Vom großen Pool dringt penetranter, gellender, furchterregender, ohrenbetäubender Lärm. Gejohle, Gegröle, Gezeter, Gejaule. Ach du Schrecken, ich ahne es schon. Beobachtungsposition Hollywoodschaukel: ALLES VOLLER SAUF - ENGLÄNDER . Feindliche Übernahme des Big Pool. Okkupation der gesamten Anlage. Krieg. Das werde ich nicht lange aushalten. Im linken Ohr der Lärm des Pöbels, im rechten ein Tinnitus von C.s Gepfeife. Man hat ja schon viel von den Sauf-Engländern gehört, aber das hier übertrifft alles: breite, platte Kartoffelpuffergesichter, kleine, tiefliegende Augen, dünnes, glanzloses Haar, verarmtes Mienenspiel, klumpige Körperbewegungen, Haut gerötet, uneben und picklig, rotbramsig, fett, fleischig, weiß, verbrannt, einer wie der andere ununterscheidbar roh, brutal und penetrant. Noch was vergessen? Wurscht. Kein Mensch ist wie der andere? Grundfalsch! Die sind alle gleich.
Und nun? Sich an den Strand verpissen? Ins Zimmer verkrümeln? Im Internetcafé verkriechen? Also aufgeben? Niemals! Ich habe den Wolfs Paroli geboten, ich werde auch diese Tiere überstehen. Erst mal Bildzeitung, das geht immer: Das Schicksal des Normalbenzins ist besiegelt. Bis Ende 2008 wird es vom Markt verschwunden sein, erste Tankstellen haben es bereits aus ihrem Angebot gestrichen. Das Ende einer Ära. Ich bin mit Normalbenzin aufgewachsen, das war quasi die
normalste
Sache der Welt, haha. Was habe ich nicht schon alles kommen und gehen sehen. Beispielsweise das Fruchteis
Barry
von Langnese; hat bei seiner Markteinführung um 1970 25 Pfennig gekostet. Spricht heute kein Mensch mehr drüber. Die Frau des Rouladenbayern hat ein neues Astrologiebuch in der Mache:
Der kleine Stier will kuscheln, die kleine Jungfrau braucht viel Lob.
Und sie selbst? Will sie kuscheln, oder braucht sie Lob? Oder gar beides? Und wenn, mit wem? Sicher nicht mit ihrem Mann. Ein Wahnsinn schon wieder. Ich schließe die Augen. Sobald C. seine sinnlosen Recherchen beendet hat, heißt es ab zum Strand.
«Sir?»
Ich schrecke aus meinem Dämmer. Vor mir, wie aus dem Nichts aufgetaucht, steht eine Kellnerin und strahlt mich an. Sie ist hübsch, sehr hübsch sogar, wunderhübsch. Kein Mensch, eine Erscheinung.
«Jambo.»
«Jambo.»
«Do you like something to drink?»
Potz Blitz, Poolbedienung, das sind ja ganz neue Sitten. Mir wird warm ums Herz, ich bestelle einen Cappuccino und eine Sprite, was sonst. Sie deutet eine leichte Verbeugung an und entschwebt Richtung Strandbar. Vielleicht hat es sie berührt, wie ich hier so einsam und alleine sitze. Wie langsam zerfallender Bierschaum. Mit unelastischem Geist. Versteinertem Gesicht. Die ganze Melancholie des westlichen Daseins ausdünstend. Sie hat mich lange beobachtet und
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