Heinz Strunk in Afrika
Schwachsinn. Kein Mensch kann wissen, welche Karte als Nächstes kommt, unmöglich!
«Sir, do you know the rules?»
«Yes, sure.»
«When the dealer has sixteen, you can’t take at fifteen another card!»
«But you see, that I can!»
Tödliche Blicke. Ein kleiner Putzerfisch, der nicht länger putzen will und dem dafür zur Strafe jede Gräte einzeln gebrochen wird, ein trister, kleiner Planet, der in einem fremden Sonnensystem herumtorkelt, bis ihm der Brennstoff ausgeht. Meine Reserven sind auf 25 000 Schilling geschrumpft, nur mehr die Hälfte des Startkapitals. Zeit für den Befreiungsschlag. Wenigstens plus/minus null will ich hier rauskommen.
Ich Dame, Beyoncé Bube.
Ich Sechs, Beyoncé Fünf.
Katastrophal.
DEALER MUST DRAW TO 16.
Die Wahrscheinlichkeit, dass Beyoncé sich überkauft, liegt bei etwa 75 Prozent. KEIN SPIELER VERLANGT JETZT NOCH EINE KARTE ! Sie blickt fragend in die Runde. Kopfschütteln, nur ich hebe den Finger.
«Sure?»
Natürlich bin ich sicher! Selbst wenn ich mit neunzehn noch eine Karte will, ist das ja wohl mein Problem, die können sich mit ihrem bescheuerten Profigetue mal gehackt legen. Ich nicke, Beyoncé deckt auf: Sieben für mich – BUST ! Sechs für die Bank – einundzwanzig. In einer Art erweitertem Selbstmord habe ich den gesamten Tisch mit in den Untergang gerissen. Wäre ich vernünftig geblieben, hätte Beyoncé die Sieben bekommen, und mit zweiundzwanzig hätte es für sie dann BUST ! geheißen.
« WHY ARE YOU PLAYING THIS GAME , WHEN YOU HAVE NO IDEA OF THE RULES ?»
« IT ’S UNBELIEVABLE .»
Nicht an den Umständen scheitert man, auch nicht am Pech, sondern an den Nerven, denke ich. Man sollte das Feld den
High Rollers
überlassen. Exklusiv für diese Champions League unter den Spielern werden Tische ohne Limit eröffnet. Für alle anderen gilt: down to earth, runter kommen sie alle, das letzte Hemd hat keine Taschen und die letzte Hose auch nicht.
Time to say goodbye.
Wenigstens ist es draußen schön warm.
Magic Glass Boat
Um fünf nach halb neun kommt C. angestolpert. Zu spät! Nicht etwa eine, nicht zwei, nicht drei, nicht vier, sondern gleich fünf Minuten! Ich fasse es nicht!
«Bursche, ich weiß, was du sagen willst, bitte verkneif es dir. Halt dich fest: Ich kann auf dem linken Ohr wieder etwas hören, das Antibiotikum wirkt.»
Es gehe ihm gar nicht mal
so
schlecht, und jetzt, nach glücklich überstandener Krankheit, habe er einen Bärenhunger. Abmarsch. Raschen Schrittes eilt er zum Restaurant. Er schürzt die Lippen und pfeift wie ein Star, als Ausdruck neugewonnener Lebensfreude, eine unmelodische Weise von Gesundheit, Lebensfreude und Unbekümmertheit. Es klingt erstaunlich laut und schrill, die langen Noten am Ende eines Melodiebogens versieht er mit einem Tremolo, was auch schon wieder seltsam militärisch klingt. Drei Tage war der Frosch nun krank, jetzt pfeift er wieder, Gott sei Dank. Ich wanke todmüde hinterher. Wenn ich nur ein einziges Mal ausschlafen könnte. Mein Kater reicht bis in die späten Nachmittagsstunden, gefolgt von einer kurzen Zitterpartie, und ab 19 Uhr heißt es schon wieder pumpen: Beer, White Wine, Rum. Pumpen, pumpen, pumpen! Schrecklich. Wenn es mir nur gelänge, diesen fatalen Kreislauf für einen Tag zu durchbrechen! Nur für einen einzigen Tag! Vierundzwanzig Stunden. 1440 Minuten. Abgesehen davon, dass die Sauferei immer weniger bringt. Ich kann mich noch dunkel an die Zeiten erinnern, als Alkoholgenuss eine stimmungsaufhellende Wirkung hatte. Gute Laune, Partyfeeling, shiny happy people. Ab einem gewissen Alter verwandeln sich die meisten Männer, die ich kenne, unter Alkoholeinfluss in depressive Babys, und dann müssen schon viele glückliche Umstände zusammenkommen, damit man einen Saufabend unbeschadet übersteht. Oder hat das gar nichts mit dem Alter, sondern mit den Lebensumständen und/oder der Disposition zu tun? Fragen über Fragen. Darüber sollte ich mal schreiben. Man sollte überhaupt nur über Dinge schreiben, von denen man was versteht.
C. strotzt vor guter Laune und verspeist mit großem Appetit zwei Eier im Glas, Marmeladenbrötchen und Tomate-Mozzarella. Bald ist sein Hemd voll Eigesprengsel. Sieht noch ekliger aus als Ketchupgesprengsel. Unvermittelt outet er sich als Anhänger des
Bauherrenmodells
. Langatmig erklärt er mir die Details. Ich verstehe kein Wort und gebe, um überhaupt etwas zu sagen, zu bedenken, dass in den siebziger Jahren diverse
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