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Heinz Strunk in Afrika

Heinz Strunk in Afrika

Titel: Heinz Strunk in Afrika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz Strunk
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sie in der Endrunde einer Castingshow und wir die Juroren. Nach jedem gekonnten Move schauen sie zu uns herüber. Siehst du, sagt C., das ist meine Ausstrahlung, die merken sofort, mit wem sie es zu tun haben. Er lächelt ihnen zu und deutet auf sein Glas, sofort kommen sie angeschoben. Der übliche Schmalspurdialog. Die mit der Afrofrisur heißt Hamdi, ihre Freundin Doreen. Hamdi könnte es mit ihrer zierlichen Stupsnase und den weißen, makellosen Zähnen mit jedem Topmodell aus der Illustrierten aufnehmen. Doreens Gesicht ist von der Kieferpartie bestimmt, mit den großen Nasenlöchern, den vorquellenden Augen und den leicht abstehenden Ohren ist sie an der Grenze zur Hässlichkeit: schön. Es sind ja erst geschmacklose Kleidung, ein schiefes Gebiss, Unebenheiten, eben Fehler, die eine Frau lebendig machen. Models sind bar wirklichen Reizes, weil sie lediglich die Summe abstrakter Diktate darstellen.
    C. ordert zwei Gin Tonic für uns, die Mädchen bleiben bei Cola. Wir suchen uns einen freien Tisch, Hamdi setzt sich zu mir, Doreen zu C. Hamdi stammt aus Nairobi und ist Kosmetikerin. Sie sei nur auf Besuch, ihre Schwester erwarte nämlich in den nächsten Wochen ein Baby. Sie legt ihre Hand auf meinen Arm. Während sie weitererzählt, streichelt ihr Daumen in unregelmäßigen Abständen meinen Unterarm. Es fühlt sich unglaublich gut an.
    Plötzlich, als hätten sie ein geheimes Signal empfangen, springen die Mädchen auf und ziehen uns auf die Tanzfläche.
Hit me baby one more time
. Hamdi legt meine Hände um ihre entblößte Taille, ihre Haut ist kühl und glatt und weich, sie schmiegt sich eng an mich und brüllt mir ins Ohr, dass ich ein
very nice guy
sei. Ja, bin ich auch. Mein Gesicht fängt Feuer. Die Chemie zwischen uns stimmt, denke ich, die Schaltkreise dicht aneinandergeschmiegter Körper. Ich habe das beruhigende Gefühl, mich nicht
komplett
lächerlich zu machen. Im Gegenteil, je länger wir tanzen, desto besser sieht es aus. Wahrscheinlich. Hoppel, hoppel. Unsere Gefühlskerne verschmelzen. Hoppel, hoppel. Aus Teilchen leben wir, und als Teilchen verständigen wir uns, ein unermesslicher Partikelstrom entscheidet, ob zwei sich füreinander interessieren oder nicht. Auch C. gerät völlig aus dem Häuschen. Er rudert wild mit seinen Gliedmaßen, plötzlich küsst er mich auf den Mund. Die Mädchen lachen und feuern uns an; sie tun wirklich alles, damit wir uns wohlfühlen. Eine heiße, atemlose Nacht. Was sind wir nur für Glückspilze. Virtuosen des Dancefloors, Könige des Nightlife. Tanzen, kreischen, juchzen, mitsingen. Drei Uhr. Die Girls fragen, ob wir noch
woandershin
mitkommen.
    Ich: «Why?»
    Falsche Antwort. Fragen nie mit Gegenfragen parieren.
    Hamdi flüstert Doreen etwas ins Ohr, dann sagt sie, wir sollten warten, sie würden gleich wiederkommen. Danach verschwinden die beiden. C. fragt, wie viel Geld ich noch hätte. Wieso? Weil wir jedem Girl mindestens 2000 geben müssten, die würden sich schließlich nicht zum Spaß mit uns abgeben. Wie, Spaß? Er müsse sich schon sehr über meine Naivität wundern, selbstverständlich wären die Mädchen Prostituierte. Hä? Wieso das denn? Schlagartig verpufft meine Euphorie. Woher will er das überhaupt wissen?
    Als sie zurückkehren, drückt C. Doreen 2500 Schilling in die Hand, ich gebe Hamdi 3300, alles, was ich noch habe. Sie fragen, ob wir uns morgen wiedersehen würden. C. nickt: «Same place, eleven o’clock.» Dann bringen sie uns zu den wartenden Taxen. Wir steigen ein, die Mädchen winken, wir winken zurück.

Gleitzeit
    Beim Aufstehen stolpere ich über einen schönen, großen Aluminiumkoffer der deutschen Traditionsmarke Rimowa. Ich brauche einen Moment, um zu begreifen, dass es sich bei dem Koffer, der mitten im Zimmer steht, wirklich und wahrhaftig um
meinen
schönen, großen Aluminiumkoffer der deutschen Traditionsmarke Rimowa handelt. Ein emsiges Helferlein hat ihn in meiner Abwesenheit gebracht. Äußerlich scheint er unbeschadet zu sein, aber was ist mit seinem Innenleben? Möglicherweise erwartet mich eine böse Überraschung: Reisig, Altpapier, Quallen. Mit zitternden Händen lasse ich die Verschlüsse aufspringen. Alles an seinem Platz. Das ist Schicksal, denke ich, bald ist Weihnachten, und ein schöneres Präsent hätte mir der liebe Gott schlechterdings nicht machen können. Zeit, innezuhalten, den Wahrnehmungsfilter zu wechseln und mir die positiven Aspekte der Reise vor Augen zu führen:
    Ich verfüge wieder über

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