Heinz Strunk in Afrika
vollständiges Reisegepäck.
Mein lieber Freund ist genesen.
Wir haben in Weltrekordzeit das Treatment zu einem Kinofilm verfasst.
Ich bin der erste Mensch der Welt, der im Urlaub abgenommen hat.
Ab sofort wird umgeschaltet auf Programm zwei: gute Laune. Ich werde mein Gehirn einer Optimierung unterziehen, umprogrammieren und völlig neu eichen. Die Verdrahtung im Kopf ändert sich. Grundkurs Hirnstoffwechsel: Ein häufig benutztes neuronales Netzwerk ist infolge von Ionenanhäufung immer leichter zu aktivieren (Prinzip der fortschreitenden Selbstverstärkung). Die zehn Milliarden Neuronen im Kopf feuern dann statt nur von A nach B auch von B nach A. Vereinfacht gesagt. Bisheriger Fehler: Da ich mir angewöhnt habe, die Welt durch eine dunkle Brille zu betrachten, versucht mein Gehirn automatisch, diese negative Stimmung aufrechtzuerhalten, und wählt aus der Summe der Sinneseindrücke diejenigen Reize aus, die zur Gefühlslage passen: Die Großhirnrinde denkt einen negativen Gedanken und schafft es, das übrige Gehirn davon zu überzeugen, dass dieser ebenso wirklich sei wie ein physischer Stressor. Wenn die Niedergeschlagenheit zu lange anhält, wird die Substanz des Gehirns angegriffen.
Ständige ? haben übrigens den gleichen Effekt: Irgendwann wird der Stummel mit Punkt, der Wurm des Misstrauens das Display meines Telefons zerstören. Egal, heute kann C. Fragezeichen schicken, bis er schwarz wird, denn heute herrscht Ausnahmezustand. «Koffer wiederaufgetaucht, muss das hier erst
abwickeln
», schreibe ich zurück.
Abwickeln, so ein Schwachsinn.
Mir kommt eine Idee:
«Weißt du eigentlich, was heute ist?»
«Keine Ahnung, wovon du sprichst.»
«Heute ist Bergfest, die Hälfte der Reise ist vorbei.»
«Was willst du? Ich spüre, dass du etwas willst.»
«Die erste Woche stand im Zeichen großer Aufregung und harter Arbeit. Heute geht’s schon wieder zu den Kugeln und danach in die Disco. Wenn ich wie gestern erst um vier im Bett liege, kann ich unmöglich schon um neun am Pool sein.»
«Du könntest schon. Wenn du etwas weniger trinken würdest.»
«Es ist nun einmal, wie es ist. Worauf ich hinauswill: Lass uns ab morgen die Gleitzeit einführen.»
«Was?»
«Gleitzeit. Neun bis halb elf. Wer fit ist, kommt um neun, wer müde ist, darf sich bis halb elf Zeit lassen.»
«Du bist verrückt! Gleitzeit! Im Urlaub! Auf so etwas kannst nur du kommen.»
«Gib zu, es ist eine originelle Idee.»
«Vollkommen durchgedreht.»
«Ach komm. Bitte! Lass uns die restlichen Tage ohne Zeitdruck genießen.»
«Nur aus Freundschaft mache ich dir einen Vorschlag: Wir probieren es zwei Tage aus, dann wird neu verhandelt.»
«Einverstanden.»
«Jetzt heißt es jedenfalls erst mal Abmarsch nach Mombasa, das Geld abholen. Ich frage Titus, ob er uns fährt.»
Er fährt. Wieder kommt uns der Junge ohne Namen entgegen. Begeistert winkend. Als ob er uns erwartet hätte. Ob er den ganzen Tag auf Autos wartet, um ihnen zuzuwinken? Sieht fast so aus.
C. bekommt seinen Gewinn anstandslos ausgehändigt. Und nun? Alle Kugelautomaten sind frei. C. macht eine ausladende Handbewegung.
«Setz dich, Bursche. Eine kleine Pause wird uns guttun. Magst du ein Bier?»
Er weiß ganz genau, wie er mich kriegen kann.
«Wie, jetzt schon?»
«Wir sind im Urlaub. Entspann dich. Ich darf dich daran erinnern, dass die kommenden Tage unter dem Regiment der Gleitzeit stehen. Wenn einem nach Bier und den Kugeln zumute ist, soll man dem ruhig nachgeben. Laissez faire, laissez passer.»
Er fabuliert von einem von ihm selbst entworfenen Automaten: Drunkard’s End. Wahlweise Drunkard’s Dreams. Drunkard’s Luck. Drunkard’s Nightmare. Bei diesem Alkoholautomaten mit ausgeklügelter Psychoakustik sind alle Gewinnsymbole der Kneipenwelt entliehen: der Wirt. Aschenbecher (leer/voll/umgekippt). Flasche Bier. Schoppen Wein. Kurzer. Zapfhahn. Supersymbol ist ein Trinker in unterschiedlichen Aggregatzuständen: der fröhliche Zecher, der lauthals die Runde unterhält; der bereits angeschlagene Zecher; der traurige, einsame Zecher und der komastramme, unter den Tisch gesoffene. Fünf unter dem Tisch liegende Zecher künden vom Gewinn des Jackpots.
Eine Stunde und drei Bier später ist C. 100 000 Schilling ärmer, ich liege 50 000 vorn. Wundersamerweise. Verlängerung auf Verlängerung auf Verlängerung. Der Kellner stellt uns unaufgefordert ein zweites Bier hin. Der Saalchef fragt, wie es uns geht. Ein anderer Spieler nickt freundlich zu
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