Heinz Strunk in Afrika
uns herüber. Es ist, als würden wir bereits zum Inventar gehören, komische Vögel, blasse Farbtupfer, die, so viel ist sicher, ihren Gewinn bis zum letzten Schilling wieder verspielen werden.
An dem freien Automaten links von uns lässt sich ein ungewöhnliches Paar nieder: Die Frau, eine große, klapprige Erscheinung, von Kopf bis Fuß in eine dunkelblaue Burka eingehüllt, ihr Ehemann, halber Kopf kleiner, dürr und unscheinbar, ist Bushido wie aus dem Gesicht geschnitten. Sie füttert den Automaten, Bushido bestellt Cola (Cola!). Aufmerksam folgt er dem Spielverlauf und hört beflissen zu, wenn sie gelegentlich das Wort an ihn richtet. Er nickt, bestätigt, pflichtet ihr bei und benimmt sich irgendwie wie ein begossener Pudel. Seltsam, sehr seltsam. Noch ’ne Cola. Ich dachte, Cola gilt in muslimischen Kreisen als westlicher Teufelstrunk und ist absolut tabu. Und das Glücksspiel ist des Teufels, und wenn sich einer vergnügen darf, dann der Mann. Koran mystique, Islam paradox. Kanns’ ma sehen. Schluck Cola und nächstes Spiel.
Als ich eine neue Runde Bier ordere, bedenkt sie mich mit einem strafenden Blick. Kommt mir jedenfalls so vor, schwer zu sagen, wenn man nur die Augen sehen kann. Vielleicht hat sie auch nur deshalb schlechte Laune, weil die Kugeln nicht einlaufen. Die Kugeln verbinden. Die Kugeln kennen keine Feindschaften. Keine Ideologien, Religionen, Schießmichtot. Die Arme hat wirklich Pech. Nichts. Nichts. Schon wieder nichts. Sie spielt neun Gewinnlinien mal eins, das sind umgerechnet 45 Cent pro Spiel. Low Rollers. Sie hebt den rechten Gesäßballen. Damit etwas Luft rankommt, denke ich. Bushido lädt 2000 Schilling nach. Immerhin darf er das Geld verwalten. Wieder hebt sie den Hintern. Oje, jetzt beginnt es zu müffeln, ein moschusartiger, zwiebeliger Schweißgeruch, der sich seinen Weg durch die Vermummung bahnt. Wie es wohl riecht, wenn sie aus ihrer Burka geschlüpft ist? Man weiß gar nicht, wen man mehr bedauern soll, Bushido oder sie. Nichts. Nichts. Nichts. Das sind die Freuden der muslimischen Frau, denke ich, vor einem Idiotenapparat sitzen und Brause trinken. Nachdem ihr letztes Geld im Bauch des Automaten versickert ist, schraubt sie sich mühsam aus dem Sessel. Die Wolke, die sie bei ihrem Abgang hinterlässt, verschlägt mir den Atem.
«Bursche?»
«Ja.»
«Wusstest du eigentlich, dass mich Doreen auf 25, höchstens 26 geschätzt hätte?»
Er glaubt es wirklich.
«Ich habe es dir doch gesagt. Du bist ein gutaussehender Mann. Ich würde sogar sagen, ein sehr gut aussehender Mann.»
«Na denn.» Mit Genuss verschlingt er ein Clubsandwich mit Pommes und Chilisoße.
«Iss doch etwas langsamer. Gerade jetzt, wo du noch nicht richtig wieder auf dem Posten bist. Denk daran, der Magen hat keine Zähne.»
«Dafür aber jede Menge Magensäure.»
Ein kleines Soßentröpfchen spritzt zwischen seinen Lippen hervor und bleibt auf dem Kinn kleben. Er spült mit dem dritten Bier nach. Sein Aschenbecher quillt schon über.
«Schau, Bursche, wie gut wir es haben.»
Er will wissen, ob ich mich im Frühjahr einem
Bubenurlaub
anschließen möchte, vier Männer, eine Woche Portugal, Cascais, das größte Casino Europas. Hauptsache ohne Frauen. Die fänden nämlich grundsätzlich
alles
schlecht, was Vergnügen bereite: trinken, spielen, sich gehenlassen, ganz davon zu schweigen, wenn man mal einer anderen Frau hinterherschaue. Außerdem würden sie unablässig Aufmerksamkeit einfordern und einem überhaupt die Luft zum Atmen nehmen. Alles, worüber schlechte Comedians noch schlechtere Witze machten, stimme leider. Gewohnheit, Gewissensqualen und seelische Abhängigkeit, auf diesen Säulen ruhe früher oder später jede Beziehung. Sagt’s und verschickt die nächste SMS an seine Freundin. Bestimmt die zehnte.
«Ich versteh dich nicht. Ich denke, wir wollen in Ruhe spielen und trinken. Mach’s wie ich und lass das dämliche Handy im Hotel. Sag ihr einfach, es sei zu gefährlich, es mit in die Stadt zu nehmen. Ich begreife nicht, wieso du dich so drangsalieren lässt.»
«Und wie soll ich ihr erklären, dass ich bereits mittags vor den Kugeln sitze?»
«Mein Gott, dann sag ihr, dass wir uns die Stadt anschauen. Oder im Museum sind.»
«Sie weiß ganz genau, dass es in Mombasa kein Museum gibt.»
«Dann lass dich einmachen. Merkst du nicht, welchen Druck diese beschissenen SMS erzeugen? Ich habe mir jedenfalls geschworen, mich nie wieder von Kurznachrichten in die Enge treiben zu
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