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Heirate keinen Arzt

Heirate keinen Arzt

Titel: Heirate keinen Arzt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Tibber
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nachdem er einen Blick auf das Zifferblatt getan hatte. »Wir sind zum Dinner bei den Hampshires in Surrey eingeladen.«
    Wir brachten die Verabschiedungen hinter uns, ohne daß Sylvia mir ein einziges Mal ins Auge sah. Mit Mrs. Hume in der Haustür stehend, sah ich die beiden in ihrem austernfarbenen Jaguar davonfahren. Nie im Leben war mir so elend, nie war ich so deprimiert und so unglücklich gewesen. Ich war böse auf Sylvia, haßte Wilfred aus tiefstem Herzensgrund und war gar nicht aufgelegt für Mrs. Humes Gesellschaft. Als der Wagen um die Ecke verschwunden war, schloß ich die Türe, und Mrs. Hume sagte:
    »Ich muß nun auch gehen.«
    »Danke für die Kuchen und all Ihre Hilfe.«
    »Es war mir ein Vergnügen. Ich warte immer noch darauf, Ihnen ein Nachtessen kochen zu können. Wollen Sie nicht an einem Abend in dieser Woche kommen? Bitte.«
    Ich zögerte, versuchte, mir rasch eine Ausrede auszudenken. Dann dachte ich plötzlich: »Zum Kuckuck auch, warum sollte ich eigentlich nicht hingehen und mir mal ein anständiges Essen gönnen?« und antwortete: »Mittwoch?«
    »Fein«, sagte sie. »Sobald Sie mit der Sprechstunde fertig sind. Ich werde etwas machen, das sich warmstellen läßt, für den Fall, daß es später wird. Also dann bis Mittwoch.« Und sie warf mir im alten Chormädchenstil einen Handkuß zu.
    »Mittwoch«, wiederholte ich und dachte: »Worauf habe ich mich da wohl eingelassen?«
    Mrs. Little stand völlig entrückt am Teewagen. Sie trug tatsächlich ein Lächeln zur Schau.
    »Ach, ist die entzückend!« seufzte sie und drückte einen Teller an den Busen.
    »Wer?«
    »Diese junge Dame. Noch entzückender als ihr Bild. Kommt sie bald wieder her?«
    »Ich weiß nicht, Mrs. Little. Kann’s wirklich nicht sagen.«
    Ich ging in den Garten und blieb vor dem Vogelbad stehen, um mir ein Gespräch zwischen uns auszumalen, wie ich es gern gehabt hätte. Als ich eben zu der Stelle gekommen war, an der Sylvia mir versprach, Wilfred den Laufpaß zu geben und mich zu heiraten, rief Mrs. Little mir zu: »Wie steht’s mit dem Nachtessen?«, und ich stieß wütend mit dem Fuß nach einem Löwenzahn, so daß die Sporen in die Luft flogen, und ging ins Haus.
     

VIERZEHNTES KAPITEL
     
    Ich spürte ihn plötzlich am Morgen nach Sylvias Teebesuch - den ersten frostigen Herbsthauch in der Luft. Die Sonne schien nicht minder hell als in den letzten Wochen, allein alles schien fast unmerklich verändert. Es gemahnte mich an die herabwehenden braun-gelben Blätter in den Höfen der Colleges von Cambridge, an Trainingsläufe in aller Morgenfrühe, an Wollsweaters mit spitzem Ausschnitt und den Beginn der langen Abende. Es machte mich auch traurig, weil um diese Jahreszeit mein Vater gestorben war, fünf Monate vor meiner Promotion. Darin lag ein geheimnisvolles Walten. Vater war der einzige Sohn neben sechs Schwestern gewesen, und er war so überglücklich, daß sein einziges Kind ein Knabe war. Nichts war ihm zu teuer oder zu gut für mich, kein Wildwestfilm zu langweilig, kein Modellflugzeug zu kompliziert. Durch mich wurden ihm all die faden Stunden seiner Kindheit aufgewogen, die er in der Gesellschaft so vieler Mädchen hatte verbringen müssen, die Nähnadeln, die sie in halbfertigen Puppenkleidern auf Stühlen herumliegen ließen und später in feinen handgenähten Wäschestücken. Die glücklichste Zeitspanne für Vater waren wohl die Jahre der elektrischen Eisenbahnen. Als sie um waren, starb er tausend Tode, wenn ich auf dem Rad (das er mir nur dank Mutters langem Zureden gekauft hatte) ausfuhr, und stellte sich unaussprechlich furchtbare Dinge vor, die mir zugestoßen sein mußten, wenn ich mich einmal nach der Schule verspätete. Es war ihm gleich, wenn meine Zeugnisse Bemerkungen aufwiesen wie »netter, aber fauler Junge«; zog ich aber die Gesellschaft von Kameraden der seinen vor oder nahm an Anlässen teil, die er nicht mitmachen konnte, dann verzehrte ihn die Eifersucht. Als ich dann mit einem freundlichen Autobuschauffeur Bekanntschaft geschlossen hatte und meine Zukunft als Busfahrer plötzlich fest vorgezeichnet vor mir lag, bestärkte mich ein Gespräch zwischen den Eltern, das ich zufällig hörte, noch in meinem Entschluß.
    »Wenn je ein Mensch zum Arzt geschaffen war, dann unser Junge«, so höre ich Vater heute noch sprechen. Durch die halbgeöffnete Schlafzimmertür sah ich Mutters besänftigendes Lächeln.
    »Das muß man erst mal abwarten«, erwiderte sie.
    »Jedenfalls kann ich dir

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