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Heirate keinen Arzt

Heirate keinen Arzt

Titel: Heirate keinen Arzt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Tibber
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während ich das erste Stückchen Wurst in den Mund schob.
    »Was gib’s denn, Mrs. Little?« fragte ich, nachdem ein rascher Blick auf ihr Gesicht mich belehrt hatte, daß es tatsächlich etwas geben müsse.
    »Ich dachte bloß, Herr Doktor, ob ich nicht das Wochenende vielleicht frei kriegen könnte. Nicht das diese Woche, die nächste, meine ich. Ich weiß, es paßt immer schlecht, aber meine Schwester, die Marjorie, geht doch mit ihrem Mann nach Tanganjika (sie sprach es >Tanganigger< aus) und ich möchte gern an dem Wochenende, bevor sie abfahren, zu ihnen nach Liverpool fahren.«
    Liverpool! Mrs. Littles Schwester und Tanganjika - das alles ging mich nichts an.
    »Ich wünschte bloß, ich wüßte jemanden, der für mich herkommen könnte«, fuhr sie fort, und ich merkte, daß die treue Seele sich aufregte bei der Vorstellung, mich im Stich lassen zu sollen.
    Mir fiel nur eine Lösung ein: Mutter müßte ihre Vertretung übernehmen, und so sagte ich zu Mrs. Little, dies würde sich wahrscheinlich schon einrichten lassen. Ganz erleichtert sah sie mich an.
    »Na, jedenfalls ist’s ja nicht schon dieses Wochenende«, tröstete sie mich und sich, »sondern erst das übernächste.«
    Ich wurde spät mit der Sprechstunde fertig, weil es Montag war -stets ein patientenreicher Tag -, und ich eilte in die Küche, um mir Mrs. Littles Besuchsliste zu holen. Mrs. Little hängte gerade im Garten Wäsche auf. Ich warf einen Blick auf den Notizblock. Ein paar unleserliche Worte standen darauf. Ich rief sie herein, um sie mir entziffern zu lassen, und es stellte sich heraus, daß es sich nicht um ein Rezept handelte, das jemand, wie ich vermutete, telefonisch erbeten hatte, sondern um ein paar Sachen, die sie für die Küche brauchte. Mrs. Little war nicht davon abzubringen, ihre Einkaufsliste auf das gleiche Blatt zu schreiben wie die Patientenanrufe, was schon oft infolge ihrer grotesken Abkürzungen Verwirrung geschaffen hatte. Andererseits hatte ihr unentwegtes Aufschreiben den Vorteil, daß sie nie etwas vergaß.
    Der dringendste Anruf stammte anscheinend von Mrs. Houston, deren Mädchen, Kathy O’Brien, »schrecklich Leibweh« hatte. Seitdem ich in der Gegend praktizierte, hatte ich eine -ganze Reihe solch irischer Haushaltshilfen kennengelernt, und darum faßte ich sogleich einen gewissen Verdacht hinsichtlich Kathys »schrecklichem Leibweh«.
    Mrs. Houston war sehr froh, als ich ankam.
    »Hören Sie doch nur, was für einen Lärm sie macht, Herr Doktor«, sagte sie, und in der Tat schlugen vom oberen Stock her herzbrechende Klagelaute an mein Ohr. »Sie macht immer gleich so ein Getöse, und ich bin nie sicher, ob ihr wirklich etwas fehlt oder nicht. Seit neun Uhr geht das jetzt schon so.«
    Ich ging in Kathys Zimmer hinauf, während Mrs. Houston am unteren Treppenabsatz stehenblieb.
    »Kommen Sie nicht mit?«
    »Ach nein, Herr Doktor, das kann ich wirklich nicht«, und sie schüttelte sich leicht bei der Vorstellung, das Krankenzimmer zu betreten. Ich trat an Kathys Bett. Mit vor Schmerz weit aufgerissenen Augen rief sie:
    »Herr Doktor, ich hab’ so gräßliche Schmerzen.«
    »Wann ist Mrs. Houston zuletzt bei Ihnen oben gewesen?«
    »Sie ist seit dem Morgen nicht ’raufgekommen.«
    »Können Sie sich denken, was es ist?«
    »Mein Magen, Herr Doktor.« Sie stieß einen Schrei aus und stöhnte erneut über die »gräßlichen Schmerzen«.
    Ich wandte ihr den Rücken zu, um mein Köfferchen hinzustellen, als sie einen Schrei von sich gab. Es war ein mir so wohlbekannter Schrei, daß ich ohne Besinnen die Bettdecke zurückschlug. Vor mir lag ein ausgetragenes Kind - nicht eine Frühgeburt, auf die ich gefaßt gewesen war.
    »Warten Sie!« schrie ich Kathy blöde an, riß mir die Jacke ab und die Türe auf, um hinunterzurufen:
    »Mrs. Houston! Bringen Sie rasch eine Schnur und saubere Tücher. Kathy hat ein Kind gekriegt!«
    »Was reden Sie da für Unsinn?« kam es entrüstet von unten.
    »Tun Sie, was ich sage«, schrie ich, und meine Grobheit setzte sie in Bewegung.
    Ein paar Minuten darauf klopfte sie an die Tür und reichte mir das Gewünschte.
    »Sie können hereinkommen und mir helfen«, sagte ich.
    »Ach, das kann ich nicht. Wirklich nicht. Ich würde bestimmt ohnmächtig.«
    Sie hatte selbst drei Kinder auf die Welt gesetzt, und ärgerlich machte ich die Türe vor ihr zu. Es blieb mir keine Zeit, etwas auszukochen oder heimzufahren und meine Entbindungstasche zu holen. So versorgte ich Kathy, so gut ich

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