Heiraten für Turnschuhträgerinnen
dem in einer damals unfassbar coolwirkenden Glitzerschrift das Wort »Babe« geschrieben war. Das letzte in Größe S.
»Okay, wir probieren es beide an, und dann kriegt es die, der es besser steht!«, rief sie.
»Meinetwegen«, antwortete ich, mit einer Stimme, in der keinerlei Hoffnung lag. Denn Lala ist groß, schlank und hübsch, leider auf eine Weise, die grundsätzlich die falschen Männer anzieht. Ich glaube, das liegt an der Kombination blond, lange Beine und, äh, große Möpse, was ich ihr natürlich so nicht unbedingt sagen würde. Auf alle Fälle ist sie das Gegenteil von mir. Es war von Anfang an klar, wer gewinnen würde.
An Lala sah das T-Shirt dann auch hervorragend aus, cool und sexy. Als ich damit in der Kabine verschwand und mich im Spiegel anguckte, wollte ich es sowieso nicht mehr haben, das blöde Ding. Am Anfang meiner Berliner Zeit habe ich an jedem Dönerstand, an dem ich vorbeikam, einen in mich reingeschlungen.
»Salat?«
»Nur Zwiebeln, bitte!«
»Mit scharf?«
»Viel scharf!«
»Soße?«
»Knoblauch und Joghurt.«
Das hat innerhalb kürzester Zeit Spuren hinterlassen. Kein Wunder, dass mir meine Ich-wohn-noch-bei-Mami-wo-es-täglich-Gemüse-gibt-Größe nicht mehr passte. Mein Bauch blitzte unter dem Saum hervor, und der Schriftzug über meiner Brust war völlig verzerrt. Ich sah aus, als müsste vor »Babe« noch »Schweinchen« stehen!
»Deins«, sagte ich, als ich schlecht gelaunt aus der Kabine kam, und drückte ihr das T-Shirt in die Hand. Dann verließ ich grußlos den Umkleidebereich, um nach einer neuenJeans zu suchen. Ich hatte schlagartig verstanden, dass meine alten Hosen gar nicht deshalb so eng waren, weil ich meine Wäsche seit Neuestem selber waschen musste. Ich Idiot hatte tatsächlich gedacht, sie seien eingelaufen!
Als ich eine Viertelstunde später aus dem Laden kam, lief ich fast in sie hinein. Sie hatte auf mich gewartet.
»Ich bin Lala, und zur Entschädigung spendiere ich dir einen Kaffee!«
Ich war ein bisschen verunsichert, nickte aber.
Sie gab sich sofort als Berlinerin zu erkennen und führte mich durch Straßen und Höfe und noch mehr Straßen in Clärchens Ballhaus, wo wir uns gleich am ersten Nachmittag nicht nur kennen-, sondern auch lieben lernten. Wenn mich nicht alles täuscht, dann hat sie mir schon an diesem Tag von ihrer Hochzeitssehnsucht erzählt.
»Also, ich will später mal in die Werbung. Und heiraten. Und ganz viele Kinder haben, mindestens vier!«
»Echt?« Ich war tatsächlich verblüfft. Werbebranche, Ehe und Mutterschaft waren für mich das Gegenteil von Zielen.
»Ich glaube, ich bin einfach zum Heiraten geboren. Ich hab schon als Kind den Jungs auf dem Spielplatz Ringe aus Alufolie gebastelt, sorgfältig von herumliegenden Bierflaschen abgeschält.«
Ich musste lachen. Lala war komplett anders als ich. Unernsthaft, absolut mädchenhaft und völlig unreflektiert. Sie machte damals ein Praktikum bei einer Werbeagentur, war mit ihren immer sauber polierten Fingernägeln auf eine seltsam naive Weise emsig und diszipliniert. Als kleines Mädchen hatte sie mit Puppen gespielt, jetzt führte sie ihren Haushalt mit demselben Eifer wie damals die Puppenküche. Ich hingegen hatte als Kind nur eine Puppe, und ich rede nicht gern darüber, was ihr zugestoßen ist. Meine Schulzeit verbrachte ich damit, verschiedeneDinge in die Mikrowelle zu legen und zu beobachten, was passiert, wenn sie sich auf höchster Stufe auf dem Teller drehen. Und während meines Studiums hing ich in meiner unaufgeräumten Einraumwohnung herum, las kettenrauchend Nietzsche und Gedichte von Gottfried Benn.
Trotzdem wurde Lala zu meiner besten Freundin. Ich habe darüber nie nachgedacht, aber auf einmal empfinde ich auch das als ein großes Glück.
Ich liege auf dem Rücken, umarme Georgs Kissen und stelle mir vor, wie Lala auf unserer Hochzeit durchdrehen wird. Wahrscheinlich grinse ich dabei wie seinerzeit Carolin Reiber beim Moderieren der »Lustigen Musikanten«. Lala wird vor dem Standesamt anfangen zu heulen und erst wieder aufhören, wenn sie schlafen geht. Ich verschränke die Arme hinterm Kopf und male mir unsere Hochzeitsfeier aus, die Bilder sind noch verschwommen, auf eine David-Hamilton-artige Weise unscharf, aber ganz deutlich ist es Sommer, ist es grün und hell und fröhlich, und es riecht nach frischen Gartenkräutern und Anaïs Anaïs.
Trööööt!
Oder doch eher nach Daisy von Marc Jacobs?
Trööööt!
Ich stöhne und presse zwei
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