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Heiraten für Turnschuhträgerinnen

Heiraten für Turnschuhträgerinnen

Titel: Heiraten für Turnschuhträgerinnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Filippa Bluhm
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wollten, waren mir immer suspekt gewesen. Wer mich akzeptierte, so wie ich war, mit meinen Stimmungsschwankungen und meiner Wankelmütigkeit, die sich unberechenbar in Starrsinnigkeit verkehren konnte, der hatte entweder ein emotionales oder ein psychopathologisches Problem.
    Aber dann kam alles anders.
    Ich kann nicht sagen, was genau Georg so entzückend fand, als er mich mit dem Finger in der Feigenmarmelade vor der offenen Kühlschranktür erwischte. Er jauchzte auf, und ich erschrak so sehr, dass ich vergaß, den Zeigefinger aus dem Mund zu nehmen.
    »Du bist so wahnsinnig …«, rief er und brachte den Satz nicht zu Ende.
    Ich starrte ihn an.
    »Wahnsinnig was? «
    Ich stellte die Marmelade zurück in den Kühlschrank und wartete wütend darauf, dass er »verfressen« sagen würde, denn das hätte ihm Ärger eingebracht. Ich mag es garnicht, wenn man sich über meinen Hintern lustig macht, zumal er mit seinem Bauch nicht viel besser aussah.
    Aber Georg sagte nichts, sondern wandte sich ab und ging ein paar Schritte in Richtung Fenster. Ich hörte ihn tief einatmen.
    » Was bin ich?«, fragte ich, diesmal lauter.
    »Egal, ich tu es jetzt einfach«, sagte er zu sich selbst.
    » Was denn?«
    Ich verstummte, als ich sah, wie er mit tränengefüllten Augen auf mich zukam. Plötzlich hatte ich so eine Ahnung.
    Es ist nämlich nicht so, dass ich nicht mit einem Antrag gerechnet hätte. Wir waren zwar erst seit neun Monaten, drei Wochen und drei Tagen zusammen, aber abgesehen davon, dass er der erste Mann war, bei dem ich mir das Datum unseres Kennenlernens überhaupt merken konnte, wussten wir ziemlich schnell, dass wir heiraten wollten. Genau genommen wusste ich es schon etwas früher als er: und zwar seit dem Morgen, an dem ich zum ersten Mal neben ihm aufwachte.
    »Dich will ich heiraten!«, verkündete ich damals, kaum, dass er die Augen geöffnet hatte. Und bevor ich nachdenken konnte.
    »Was?«
    »Na ja, vielleicht«, stammelte ich, erschrocken über mich selbst. »Und jetzt hoch mit dir, Frühstück!«
    »Na, na, na, nicht so schnell«, sagte er, aber immerhin, er lachte. Weil er sich freut, dachte ich. Aber als ich kurz darauf aufs Klo musste und einen raschen Blick in den Spiegel warf, stellte ich entsetzt fest, dass ich wie Alice Cooper nach einer durchfeierten Nacht aussah. Ich musste in der Aufregung des Abends zuvor vergessen haben, mich abzuschminken.
    Ach, was heißt Aufregung. Um ehrlich zu sein, ich vergesse das Abschminken eigentlich immer. Schon das mit dem Schminken ist nicht so mein Ding. Ich mache es, weil ich mit vierzehn damit angefangen habe und seitdem finde, dass ich ohne Wimperntusche wie ein Nacktmull aussehe. Blass und irgendwie konturlos.
    Als Georg an diesem Abend auf mich zukam, sah ich vermutlich nicht viel besser aus, aber da hatte ich mich bereits daran gewöhnt, dass ihm der Zustand meines Make-ups völlig egal ist. Er behauptet sogar, mich mit verschmierter Wimperntusche noch ein bisschen süßer zu finden als ungeschminkt.
    »Was?«, fragte ich mit brüchiger Stimme. Er nahm meine Hände, die immer noch ein bisschen klebrig waren, und sank auf die Knie. Ich weiß nicht mehr, ob er »Willst du meine Frau werden« oder »Willst du mich heiraten« fragte, ich weiß auch nicht mehr, ob ich »ja« gesagt habe oder »natürlich«, oder ob ich am Ende nicht doch einfach nur gelacht habe. Ich weiß nicht mehr, ob wir uns geküsst haben. Das Einzige, woran ich mich erinnere, ist, dass ich irgendwie ebenfalls auf die Knie sank, dass wir heulten und schluchzten und verwirrt waren und dass wir uns ganz eng umschlungen hielten.
    Habe ich erwähnt, dass Georg nur Boxershorts anhatte? Und ich nicht mehr als eines der zeltartigen T-Shirts aus seinen Hip-Hop-Tagen? Mit einem kiffenden Frosch darauf und der Aufschrift »Funky Frog«? Und auch, wenn meine Mutter das Gegenteil behaupten würde: Es war romantisch. Sehr.
    Wir müssen eine Ewigkeit da unten verbracht haben, denn als wir wieder aufstanden, hatte ich höllische Schmerzen in den Beinen, aber das war mir egal. Wir rubbelten uns die Küchenbodenkrümel von den Knien und riefennacheinander unsere Eltern an, die völlig verängstigt und total gerührt nur Wirklich! und Mein Gott! und Kinderchen, ach, Kinderchen riefen. Meine Mutter schickte sogar ein Dankgebet in den Himmel: chwała Bogu!
    Na gut, das macht meine Mutter eigentlich ständig. Sie ist Polin und hält sogar ein hübsches Paar Ballerinas im Schaufenster für göttliche Vorsehung.

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