Heiratsantrag auf Portugiesisch
wohlhabender Mann. Doch seine ganze Liebe galt nach wie vor der Malerei. Sie wissen sicher, dass er Maler war, oder? Er wollte die Villa am Meer malen, und ich glaube, damals begann die Romanze zwischen den beiden.
Ihr Vater riet der Condessa vom Verkauf der quinta ab, und er begeisterte Jaime für das Gut und den Weinbau. Sie haben sicher schon bemerkt, wie sehr Jaime seinen Stiefvater verehrte. Nur mit seiner finanziellen Unterstützung gelang es, das Weingut wieder profitabel zu machen.
Vor der Hochzeit kaufte Ihr Vater der Condessa die Villa ab. Dieses Haus am Meer hinterließ er Ihnen. Außerdem erhalten Sie einen kleinen Anteil vom Gewinn aus dem Weinbau. Sie brauchen keine Bedenken zu haben, wenn Sie die Erbschaft annehmen. Ihre Stiefmutter und ihre Kinder sind sehr gut versorgt.“
„Und dennoch ist mein Stiefbruder verärgert.“ Shelley hatte leise zu sich selbst gesprochen, doch der Anwalt hatte ihre Worte verstanden. „Ich glaube nicht, dass der Conde wegen der Hinterlassenschaft verärgert ist“, sagte er ruhig. „Er ist aufgebracht, weil er die Wahrheit nicht kennt. Wie wir alle glaubte er, dass Sie Ihren Vater nicht sehen wollten. Wir wussten ja nicht, dass Sie ihn für tot hielten. Wenn der Conde erst die volle Wahrheit weiß …“
„Nein!“ Als sie die überraschte Miene des Anwalts sah, beeilte sie sich, dem Ausruf mit einem Lächeln etwas von seiner Schärfe zu nehmen.
„Ich möchte noch nicht mit dem … mit meinem Stiefbruder darüber reden. Ich brauche etwas Zeit, um all das, was Sie mir eben mitgeteilt haben, zu überdenken. Trotz allem bin ich noch immer der Meinung, dass die Villa das rechtmäßige Eigentum der Condessa ist.“
„Nein. Sie ist Ihr rechtmäßiges Eigentum“, korrigierte er sie. „Ich bewundere Ihren Großmut. Doch Sie sollten auch an die Zukunft denken, Miss Howard. Sie wissen nicht, was das Leben für Sie bereithält.“
„Ich will sie nicht haben.“ Shelley konnte stur sein. Sie war froh, von ihrem Vater bedacht worden zu sein. Es machte sie glücklich, dass er in Gedanken bei ihr gewesen war. Doch mehr erwartete sie nicht.
Auch wenn sie nun die Gründe dafür kannte, schmerzte sie die Zurückweisung durch seine Familie noch immer. Es war ihr Stolz, der sie daran hinderte, Jaime den wahren Sachverhalt darzulegen. Er hatte ihren Vater verehrt, gut, dennoch konnte sie ihm nicht verzeihen. Er hatte ihren Vater all die Jahre um sich gehabt, seine Unterstützung erfahren, während sie …
„Es ist Ihnen sicher bekannt, dass die Condessa Engländerin ist“, fuhr der Anwalt fort. „Zumindest väterlicherseits, ihre Mutter war Portugiesin. Sie kehrte hierher zurück, nachdem ihr Mann im letzten Krieg gefallen war. Jaime ist seiner Mutter sehr viel ähnlicher als seinem Vater. Er hat sich nie gut mit Carlos verstanden, und seine Kindheit war sehr unglücklich. Sie beide haben viel gemeinsam, auch wenn Ihnen das noch nicht bewusst ist.“
An diesem Punkt wurde er von einer Hausangestellten unterbrochen, die ein Tablett mit drei Tassen Kaffee hereinbrachte. Als Jaime hinter ihr durch die Tür kam, stand Shelley auf und entschuldigte sich. Sie bemerkte seine gerunzelte Stirn, er machte jedoch keine Anstalten, sie zurückzuhalten.
Nach dem Gespräch mit dem Anwalt gab es für sie nichts mehr zu tun. Ihr Gepäck stand noch auf dem Zimmer, und sie ging unverzüglich nach oben, um es zu holen. Auch den Wagen fand sie problemlos, nachdem sie den alten Mann, der im Garten arbeitete, danach gefragt hatte.
Man hatte ihn neben den Pferdeställen geparkt. Normalerweise hätte sie sich die Zeit genommen, um die schönen Tiere zu bewundern und ihnen über das samtige Fell zu streicheln. In diesem Moment hatte sie jedoch keinen Blick dafür.
Noch vor zwei Tagen wäre es für sie unvorstellbar gewesen, abzureisen, ohne sich bei ihren Gastgebern zu verabschieden. Inzwischen wusste sie, dass man froh sein würde, sie loszuwerden. Unvermittelt brach ein Gefühl von Verlassenheit wie eine Welle über sie herein. Reiß dich zusammen, du bist doch kein Kind mehr, dachte sie beschämt.
Der Wagen sprang sofort an, und sie verließ das Anwesen, ohne einen Blick zurückzuwerfen. Nach etwa dreißig Kilometern kam sie zu der ihr bekannten Gabelung und nahm die Abzweigung zur Küste hinab.
Auch wenn sie das Vermächtnis ihres Vaters ausgeschlagen hatte, so wusste sie doch, dass sie die Algarve nicht verlassen konnte, ohne sich die Villa zumindest anzusehen.
Glücklicherweise hatte
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