Heiratsmarkt
ihr geschenkt haben, Ma'am, und auch sonst nichts, was eigentlich auf ihm stehen sollte", verkündete die Stimme des Jüngsten Gerichts.
Frederica hörte nicht zu, denn diese Auskunft war unnötig. Der Brief in ihrer Hand war sichtlich unter dem Druck starker Erregung geschrieben worden. Er war reichlichst mit Tränen befleckt und zum Großteil unleserlich, aber der Anfangssatz hob sich deutlich ab.
„Liebste, allerliebste Frederica", hatte Charis sehr sorgfältig hingesetzt, „wenn Du dieses liest, werde ich verheiratet und viele Meilen weg sein."
Nach diesem Satz wurde die Handschrift zu einem wilden Gekritzel, als hätte Charis nach diesem vielsagenden Anfang nicht gewusst, wie fortfahren, und hätte schließlich den Rest eiligst hingeschmiert.
Aber der Anfang war auch alles, was für Frederica wichtig war. Sie stand da und starrte die Worte an, bis sie vor ihren Augen tanzten, im ersten Augenblick des grässlichen Schocks unfähig, den unglaublichen Inhalt zu fassen.
Mrs. Hurleys Hand auf ihrem Arm ließ sie zu sich kommen. „Setzen Sie sich doch, Miss Frederica, meine Liebe!", sagte Mrs. Hurley. „Ich hole Ihnen sofort ein Glas Wein herauf; Buddle muss das nicht wissen."
„Nein, nein, ich will kein Glas Wein - ich muss denken ... ich muss denken." Sie ließ sich in einen Sessel drängen und versuchte den Rest des Briefes zu entziffern. Er schien zur Gänze aus Bitten um Verzeihung zu bestehen, vermischt mit Versicherungen, dass nur Verzweiflung die Schreiberin dazu getrieben habe, einen so fürchterlichen Schritt zu unternehmen. „Deine unselige Charis" - aber bei näherer Betrachtung stellte sich heraus, dass das Wort nicht „unselig", sondern „unglücklich" hieß. Frederica dachte bitter, dass „unselig" ihre Schwester besser bezeichne.
Sie hob den Blick zu Mrs. Hurley. „Hurley - ich weiß nicht, was man da tun kann - wenn überhaupt etwas, aber sagen Sie niemandem etwas davon, ich bitte Sie!"
„Bestimmt nicht, Ma'am, darauf können Sie sich verlassen!"
„Danke. Sie haben es natürlich erraten."
„O ja, das habe ich, Ma'am!", sagte Mrs. Hurley grimmig. „Und ich weiß auch, wem das zu verdanken ist! Wenn gewisse Leute, ohne Namen nennen zu wollen, sich an ihre rechtmäßige Pflicht gehalten hätten, statt Streit anzufangen und so hochnäsig aus dem Haus zu stürmen, wäre das nie geschehen, weil dieser große Langbein nicht hätte herkommen können, wie er das immer getan hat. Trotz allem, was ich zu ihr gesagt habe, was ich nämlich getan habe, und Buddle auch! Und jetzt ist sie also durchgebrannt. O Himmel, Himmel, wie konnte sie nur so etwas tun? Aber es heißt ja immer, der Apfel fällt nicht weit vom Stamm, und dasselbe hat ja schließlich ihre Mama auch getan!"
„Oh, wenn mir nur einfiele, was man tun könnte!", sagte Frederica, ohne zu beachten, was Mrs. Hurley sagte. „Etwas muss man doch tun können - obwohl ich fast geneigt bin, der Sache ihren Lauf zu lassen! So etwas zu tun, und zu so einem Zeitpunkt auch noch dazu ...! Nein, nein, was sage ich da nur?! Wenn ich netter, mitfühlender gewesen wäre ..." Sie sprang auf. „Hurley, ich muss Lord Alverstoke sprechen! Wenn mir irgendjemand helfen kann, ist er es! Sagen Sie Owen, er soll eine Droschke rufen, während ich mir oben Hut und Handschuhe hole. Wir dürfen keine Zeit verschwenden!" Sie fing sich auf dem halben Weg zur Tür. „Nein, ich kann ja nicht! Ich habe vergessen - Sir William Knighton!"
„Genau das habe ich mir auch gedacht, Miss Frederica", sagte Mrs. Hurley. „Da kommt ja gerade eine Kutsche die Straße herauf, die mich an den Herrn erinnert hat. Ob die wohl vor unserem Hause hält oder ... ja, sie hält!"
Frederica lief zu ihrem Schreibtisch, setzte sich nieder, zog ein Blatt Papier heran und tauchte die Feder ein. „Ich schreibe ihm!", sagte sie. „Warten Sie, Hurley, nehmen Sie das zu Owen mit hinunter. Er soll es sofort ins Alverstoke-Pa-lais bringen
- in einer Droschke. Es ist noch nicht zwölf Uhr, Seine Lordschaft wird also das Haus noch nicht verlassen haben. Sagen Sie Owen, es muss Seiner Lordschaft persönlich übergeben werden - nicht dem Butler oder einem seiner Lakaien! Ist es Sir William?"
„Er hat eine Tasche in der Hand, wie man das von einem Arzt erwarten würde, Ma'am", berichtete Mrs. Hurley vom Fenster her. „Aber er schaut gar nicht wie ein Doktor aus, so nett angezogen, wie er ist! Ah! Jetzt hat ihn Buddle eingelassen, also muss er es sein, da Sie befohlen haben, dass Sie
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