Heiratsmarkt
stehen geblieben?"
„Ich glaube, beim Tod Ihrer Mutter."
„Ach ja! Nun - die Wirkung war ganz schrecklich. Ich glaube, das heißt, ich weiß, Papa war derart erschüttert, dass man um seinen Verstand fürchtete. Ich war zu jung, um es zu verstehen, aber ich erinnere mich, dass er sehr lange krank war - zumindest mir erschien es lange und als er sich erholte, war er nicht mehr der Alte.
Ja, er wurde uns fremd, weil er kaum noch zu Hause war. Er konnte es ohne Mama nicht ertragen. Bestimmt wäre es uns damals nicht recht gewesen, wenn er wieder geheiratet hätte, dennoch habe ich mir oft gedacht, es wäre doch sehr gut für ihn gewesen. Ich weiß, es gehört sich nicht, so etwas zu sagen, aber wissen Sie, er war unausgeglichen."
„Nun ja", gab Alverstoke zu, „das kenne ich. Aber hat er Sie denn alle sich selbst überlassen? Das kann ich nur schwer glauben!"
„Nein, nein, natürlich nicht! Meine Tante Seraphina kam -die unverheiratete Schwester von Mama - und blieb seit Mamas Tod bei uns."
„Und ist noch immer bei Ihnen?"
„Aber natürlich! Heiliger Himmel, wie hätten wir denn ohne ihren Schutz nach London kommen können?"
„Sie müssen verzeihen - da ich bis jetzt nichts von Ihrer Tante gesehen oder gehört habe, hatte ich den Eindruck, Sie hätten beschlossen, ohne Anstandsdame auszukommen."
„So schäbig bin ich nun wirklich nicht! Warum haben Sie angenommen ... oh! Ihr Anstandsgefühl ist verletzt, weil ich Sie ohne Chaperon empfangen habe! Meine Tante Scrabster hat mich davor gewarnt, aber schließlich bin ich ja kein Mädchen mehr, das gerade dem Schulzimmer entronnen ist. Hinzu kommt, dass wir an Ihre Art gewöhnt sind, doch ich glaube nicht, dass meine Tante Ihnen gefiele. Erstens ist sie sehr schwerhörig, und zweitens ist sie ... ist sie ein bisschen wunderlich. Sollte sie hereinkommen, bitte fangen Sie nicht mit ihr zu streiten an!"
„Das kann ich Ihnen ruhigen Gewissens versprechen", sagte er. „Ist sie denn so streitsüchtig?"
„Nein, aber sie hasst Männer", erklärte ihm Frederica. „Wir vermuten, dass sie in ihrer Jugend eine Enttäuschung erlitten hat oder so etwas. Ich wette, sie kehrt auf der Stelle um, wenn sie Sie hier antrifft."
„Dann ist sie wohl kaum eine ideale Anstandsdame!", bemerkte er.
„Nein, und noch schlimmer, sie beginnt, Harry nicht mehr so gernzuhaben wie früher. Unseren Papa hat sie entschieden gehasst - aber das war verständlich, denn abgesehen davon, dass er unhöflich zu ihr war, führte er sich sehr schlecht auf und verschwendete den Besitz ganz ungeheuerlich. Zum Glück bekam er einen Schlaganfall, bevor es ihm gelang, uns alle zu ruinieren."
„Das war tatsächlich ein Glück", stimmte er ihr zu und konnte nur mühsam ernst bleiben.
„Ja, nicht wahr? Er erlangte zwar den Gebrauch seiner Glieder weitgehend wieder, aber sein Gehirn hatte etwas gelitten. Das soll nicht heißen, dass er den Verstand verlor, aber er wurde vergesslich und ... und eben ganz anders. Er war nicht mehr wild oder unruhig wie zuvor und war nicht im Geringsten mehr unglücklich. Ja, vorher hatte ich ihn nicht halb so lieb! Er überließ mir die Leitung des Gutes und seiner sämtlichen Angelegenheiten. Daher war ich, mit großzügiger Hilfe unseres Anwalts, Mr. Salcombe, in der Lage, zu verhindern, dass der Besitz völlig zugrunde ging. Das war vor fünf Jahren, und wenn Harry nur noch einige wenige Jahre durchhält und spart, glaube ich, dass er sich in recht erträglichen Verhältnissen befinden und sogar imstande sein wird, für Jessamy und Felix zu sorgen. Dazu ist er fest entschlossen, denn er ist der Meinung, es sei so ungerecht, dass er alles erben soll, nur weil Papa kein Testament gemacht hatte."
„Guter Gott! Ja, was wird denn dann aus Ihnen und Ihrer Schwester?"
„Oh, wir kommen ganz gut zurecht!", versicherte sie ihm. „Mamas Vermögen wurde auf ihre Töchter überschrieben, verstehen Sie, daher besitzt jede von uns fünftausend Pfund. Wahrscheinlich erscheint Ihnen das nicht sehr viel, uns hingegen macht es unabhängig und bedeutet, dass Charis keine ganz mittellose Partie ist."
„Ah, dann ist sie also verlobt?"
„Nein, noch nicht. Das ist es ja, warum ich bei Papas Tod, gerade vor einem Jahr, beschloss, sie nach London zu bringen. Sehen Sie, in Graynard ist sie so gut wie lebendig begraben. Es gibt nicht einmal einen Kurort in der Nähe. Wie also könnte sie dort eine passende Verbindung finden? Sie ... sie ist einfach verschwendet, Lord Alverstoke!
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