Heirs of Kilronan 01 - Geheimnisvolle Versuchung
an die Augen, aber die Worte wichen nicht, als wären sie auf der Rückseite ihrer Augenlider eingeprägt. So scharf, als seien sie mit Blut geschrieben.
Artus’ Rückkehr fand jetzt immer häufiger Erwähnung auf den Seiten, als verbänden sich die ungeordneten Ambitionen der Gruppe langsam zu einem einzigen, festen Ziel. Und immer häufiger wurden auch der Wandteppich und der Stein im Text erwähnt, da beide Gegenstände offenbar untrennbar verbunden waren. Es waren jedoch nirgends Angaben zum Aufenthaltsort dieser beiden Dinge zu finden. Falls der alte Kilronan sie irgendwo in seinem Tagebuch verzeichnet hat, dachte Cat, war er zu raffiniert für uns gewesen.
Sie schloss das Buch. Sie fühlte sich hundeelend. Ein Unwohlsein beherrschte sie, das sie zu verschlingen drohte wie ein Sumpf und jeden Gedanken, jeden Atemzug so erschöpfend machte, als hätte sie sich einen harten Kampf geliefert und ihn verloren. Sie schob das Buch noch weiter von sich, als könnte Distanz das ungute Gefühl entschärfen, und fasste einen Entschluss. »Das war’s für mich. Ich kann nicht mehr, Aidan.«
Er löste sich aus dem Halbdunkel, in dem er sich schon den ganzen Tag verkrochen hatte. Und wenn er doch einmal sprach, haftete schwelender Ärger seinen Worten an und seinen Handlungen eine unterschwellige Gewalt. Eine neue, rastlose Entschlossenheit, als sei er sich im Klaren darüber, dass Belfoyles relative Sicherheit ihm nur eine begrenzte Zeit erkaufen würde.
»Na gut, meinetwegen. Gib es mir«, sagte er mit merkwürdig verschlossenem Gesichtsausdruck.
Cat unterdrückte ein scharfes Einatmen und schloss instinktiv die Hand noch fester um das Buch. »Was wirst du damit tun?«
»Lazarus ist hinter dem Buch her. Warum? Weil ihm befohlen wurde, es für Máelodor zurückzuholen. Und warum ist Máelodor dahinter her? Weil er glaubt – oder weiß –, dass es Aufschluss gibt über den Aufbewahrungsort des Wandteppichs und des Steins. Sie werden dafür töten. Und ich bin es leid, dass wir beide als Zielscheibe für sie an erster Stelle stehen. Sie können das Tagebuch haben. Ich bin fertig damit. Ich habe mehr erfahren, als ich über die wahnwitzigen und skrupellosen Ziele meines Vaters wissen wollte.«
»Lazarus wird dich nicht am Leben lassen. Er wird dich in Stücke reißen und weniger von dir übriglassen, als es braucht, um einen Kartoffelsack zu füllen.«
»Vielleicht, aber vielleicht auch nicht. Ich habe noch ein paar Tricks auf Lager, die ihn überraschen könnten.«
»Aidan, du kannst doch nicht ernsthaft glauben, du seist ihm gewachsen – oder vielleicht glaubst du es ja wirklich. Einmal hast du es ja schon geschafft, nicht wahr?«
Er wandte sich ihr langsam zu und maß sie mit einem Blick, der nichts mehr von dem des Geliebten hatte, sondern von der gleichen Brutalität und Rücksichtslosigkeit war wie der des Unsichtbaren . Ein Bild erstand vor Cat – dasselbe wie vor vielen Wochen, als sie beim ersten Lesen des Tagebuches Kilronan als gnadenlosen Eroberer gesehen hatte. Mit erhobenem Schwert in seinen eisernen Fäusten und von Kopf bis Fuß mit Blut besudelt. Wie einen mythischen, kriegslüsternen Dämon hatte sie ihn in ihrer Fantasie gesehen.
Trotz der Panik, die sie erfasste, zwang sie sich, sich ruhig zu verhalten unter seinem unergründlichen Blick. War Aidan für immer verändert worden von den finsteren Mächten? War es das, was sie in den bangen, nicht enden wollenden Stunden auf der anderen Seite seines Zimmers mitbekommen hatte? Daz hatte es als eine Sucht bezeichnet. Als ein verzehrendes Verlangen nach der Bestie, die als ein Rest von dunkler Magierenergie für immer in Aidan weiterleben würde. Die ihn immer in Versuchung führen und ihn mit ihren Krallen auf den Abgrund zuziehen würde.
»Ich habe es unter allen möglichen Gesichtspunkten betrachtet, Cat. Wenn Máelodor den Wandbehang will, wer bin ich, um ihn daran zu hindern? Soll er ihn doch haben. Soll er seinen Wahnsinn doch erproben. Was hat das schon mit mir zu tun?«
»Alles, Aidan! Es bringt ihn einen Schritt näher an sein Ziel. Und das Ziel ist, König Artus in Gestalt eines Domnuathi und als seinen Sklaven wiederzuerwecken. Um mit seiner Hilfe die Anderen auf Máelodors Seite zu bringen. Kannst du dir die Gräuel vorstellen, die ein Krieg zwischen Duinedon und Anderen über die Welt bringen würde? So weit darf man es nicht kommen lassen, Aidan!«
Er ließ sich in einen Sessel fallen und schloss die Augen. Als er sie wieder
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