Heiss wie der Sommer
vergisst.“
„Du wolltest Roy nicht wirklich umbringen, oder?“, fragte Davie mit leiser, zitternder Stimme, während er Doreens Zettel einsteckte.
Sie beugte sich vor und strich ihrem Sohn über die Stirn. „Wenn ich Roy Fifer hätte umbringen wollen, wäre er jetzt längst tot.“
Davie lachte nicht über ihren Scherz. Er lächelte nicht mal, was Tyler als sehr vielversprechendes Zeichen wertete.
Doreen stand auf und gab Davie einen Kuss auf den Kopf.
Der Junge zitterte leicht, aber sah nicht hoch.
„Benimm dich gut“, sagte sie mit belegter Stimme. „Und wenn du achtzehn bist und Lust dazu hast, dann besuch mich mal.“
Davie nickte.
Im Vorbeigehen strich sie über Tylers Schulter, und dann war sie weg.
Lange Zeit saßen die beiden schweigend da.
Schließlich fragte Tyler: „Davie?“
„W-was?“
„Wenn du weinen möchtest, dann tu es.“
Der Junge starrte vor sich hin, doch seine Schultern zuckten leicht. „Ich dachte, die Creeds sind harte Kerle.“
Tyler verzog den Mund zu einem schiefen Lächeln. „Die Creeds sind harte Kerle“, bestätigte er. „So hart, dass sie auch weinen, wenn es nichts anderes gibt, was sie noch tun könnten.“
Dann begann Davie zu weinen.
Lange und herzzerreißend.
Tyler wartete geduldig, während er selbst mit den Tränen kämpfte.
Nach einer Weile hatte sich Davie dann wieder beruhigt, er schniefte leise und hob den Kopf. Dabei wischte er mit dem Ärmel über sein Gesicht.
„Kann ich meinen Namen ändern?“, fragte er.
Tyler stutzte. „In Creed? Natürlich. Du
bist
ja auch ein Creed.“
„Ich meine den Davie-Teil“, sagte der Junge.
„Was gefällt dir daran nicht?“
„Das klingt nach einem Kind.“
„Na und? Du
bist
doch ein Kind.“
„Mir gefällt Kit Carson besser, aber der ist schon vergeben“, überlegte Davie. „Niemand, der stark ist, heißt Davie.“
Tyler überlegte kurz. „Und was ist mit Davy Crockett?“, erinnerte er den Jungen an den amerikanischen Volkshelden, nach dem in den Fünfzigerjahren sogar eine taktische Kernwaffe benannt wurde.
Davie sah ihn verdutzt an. „Ach so …“
Da sein Appetit zurückgekehrt war, stand Tyler auf und ging zum Büfett, als gerade ein Rudel gut gelaunter grauhaariger Touristen hereinkam.
„Tom?“, fragte Davie, nachdem Tyler an den Tisch zurückgekehrt war.
„Was?“, gab der zurück.
„Ich überlege, welcher Name zu mir passt“, erklärte der Junge. „Was ist mit Joe? Der ist doch auch gut.“
„Dein Name ist Davie“, sagte Tyler. „Finde dich damit ab.“
„Du bist wieder total stur.“
„Gewöhn dich dran“, meinte er nur.
Davie ging zum Büfett und kam mit einem vollen Teller zurück. „Mike?“, machte er hartnäckig weiter. „Jack?“
„Dave?“, schlug Tyler vor.
„Der ist doof“, kommentierte Davie. Dann herrschte für eine Weile Ruhe, da sie beide frühstückten. Als sie fertig waren, legte Tyler ein Trinkgeld auf den Tisch, während der Junge einen Teller für Kit Carson vollschaufelte.
„Ich bin gern im Hotel“, erklärte er auf dem Weg nach draußen. „Außer dass der Hund versteckt werden muss.“
Tyler lachte. „Nicht so viele Würstchen“, warnte er ihn. „Kit Carson hat einen empfindlichen Magen.“
„Stimmt“, sagte Davie. „Sonst kotzt er wieder, und dann fallen wir auf.“
„Ganz genau.“
Sie gingen zu den Aufzügen, Davie mit dem vollen Teller in beiden Händen.
Die Aufzugtüren schlossen sich hinter ihnen, und Davies Augen nahmen einen schüchternen Ausdruck an. „Wo wir gerade von Namen reden …“
„Tun wir das?“, gab Tyler amüsiert zurück. „Ich dachte, das Thema hätten wir abgehakt.“
Davie musste schlucken und sich dazu zwingen, ihm ins Gesicht zu sehen. „Ich meinte, was … wie …“
Tyler wartete geduldig ab.
„Wär das okay …“ Davie unterbrach sich und setzte noch mal an. „Wär das okay, wenn ich dich Dad nenne?“
20. KAPITEL
“D as ist kein Trailer, das ist ein Palast“, sagte Lily, als sie eine Woche später neben Tyler in ihrem vorübergehenden Quartier standen. Ihre Knie waren immer noch weich von der sehr persönlichen Art, in der er sie willkommen geheißen hatte.
Er hatte Hal, Tess und sie wie versprochen am Flughafen abgeholt, um sie in seinem brandneuen grünen Pick-up nach Stillwater Springs zu fahren. Tess und Hal hatte er an dessen Haus abgesetzt, dann war er mit ihr zu ihrem ganz besonderen Ort gefahren – dem Friedhof auf der Stillwater Springs Ranch.
Dort hatte er
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