Heiss wie eine Sommernacht
Fenster im Gästezimmer weit, in der Hoffnung, frische Luft hereinzulassen. Frisch konnte man die Luft nicht nennen, aber es roch definitiv nach Regen.
Je früher die Tropfen kamen, desto besser.
Im Zimmer war es heiß und stickig. Ein altersschwacher Tischventilator stand auf der Kommode, dem er trotz aller Versuche nicht mehr als einen lauen Hauch entlockte. Unter normalen Umständen wäre Lucas schon vor Stunden von hier verschwunden. Aber leider saß er hier fest, dank des Versprechens, das er seinem Großvater gegeben hatte.
Zumindest war er der Frau nicht noch einmal begegnet, sondern zur Haustür hineinmarschiert und direkt in sein Zimmer gegangen, ohne eine Menschenseele zu treffen. Soweit er das einschätzen konnte, war er allein im Haus.
Wo, zum Teufel, blieb Aloysius McDonough?
Lucas sah auf seine Armbanduhr. Halb sechs. Wenn McDonough nicht bald auftauchte …
Ja, was dann?
So oder so konnte er vor morgen nicht von hier weg. Vielleicht sollte er in den Stall zurückgehen und nach dem Autoschlüssel suchen.
Oder nach der Frau?
Er schnaubte und beschloss, keines von beidem zu tun. Lieber wollte er hier warten und dann nach Hause zurückkehren, um seinem Großvater zu berichten, dass McDonough zu beschämt gewesen war, um sich zu zeigen und zuzugeben, dass es gar keine Stute gab.
Aus der Ferne hörte er Donnergrollen, Blitze zuckten über einen Himmel, der sich immer stärker verdunkelte. Das Gewitter zog jetzt schnell heran und machte den Tag zur Nacht.
Kaum zu glauben, dass Lucas gestern noch in Manhattan mit Freunden bei einem Drink zusammengesessen hatte. Erst Drinks, dann Dinner, mit viel Lachen und guten Gesprächen.
Sein Magen meldete sich vernehmlich. Was ihn daran erinnerte, dass er seit dem Frühstück nichts mehr gegessen hatte. Auf El Rancho Grande herrschte eine seltsame Vorstellung von Gastfreundlichkeit. Erst attackierte man den Besucher mit einem Pferd, dann ließ man sich zum vereinbarten Termin nicht blicken, und wenn das alles nicht wirkte, versuchte man den Mann auszuhungern, bis er von alleine verschwand.
Die Aussicht, dass dieser Autoschlüssel noch im Stall auf dem Boden lag, gewann immer mehr an Reiz.
Schließlich hatte er sein Versprechen gehalten. Wer sich hingegen nicht an die Absprache hielt, war Aloysius McDonough!
Reichte das als Rechtfertigung, um Felix zu enttäuschen? Lucas seufzte schwer und begann im Raum auf und ab zu wandern.
Er musste sich beruhigen. Sonst rutschte ihm bei dem Treffen mit McDonough noch eine unhöfliche Bemerkung heraus. Und das wollte er keinesfalls.
Ha! Natürlich wollte er das! Mehr noch, am liebsten würde er McDonough sagen, was für ein Narr er war, eine Ranch so verkommen zu lassen. Eine Frau einzustellen, die sich wie ein Mann kleidete, sich aggressiv wie ein Mann verhielt …
Und dennoch weiblich und verführerisch sein konnte.
Oder hatte sie das nur gespielt? Frauen konnten auf Kommando wirklich oscarreife Vorstellungen liefern. Tränen fließen lassen, wenn sie meinten, damit zum Ziel zu kommen. Oder bezaubernd lächeln, wenn das die bessere Wahl für den Augenblick bedeutete. Sie konnten Interesse für das heucheln, was den Mann interessierte. Oder vorgeben, den Mann zu lieben und nicht seinen Titel oder sein Geld oder seinen Einfluss.
O ja. Lucas wusste das aus Erfahrung. Ein Mann mit seinem Reichtum und seinem Titel wurde nicht zweiunddreißig, ohne auf etliche Frauen zu treffen, die wahre Expertinnen auf dem Gebiet der Täuschung und Intrige waren.
Ein dünnes Lächeln umspielte seine Lippen. Nur beim Sex schafften sie es nicht zu lügen. Natürlich hatte die eine oder andere es auch dort versucht.
„O Lucas“, hatte eine von ihnen gehaucht, als er zum ersten Mal mit ihr schlief.
Die Seufzer, das Stöhnen, alles hörte sich echt an. Aber sie tat nur so, als ob. Das merkte er sofort.
Die Augen einer Frau wurden dunkler, und ihr Blick verschleierte sich, wenn sie echte Gefühle empfand. Ihr Puls ging dann schneller, schlug schwerer, und ein inneres Zittern ließ sie in den Armen des Liebhabers erschauern.
Damals hatte die Frau in seinem Bett gelogen. Was ihn nicht verärgerte, sondern nur eine Herausforderung für ihn darstellte. Er machte sich anschließend ganz bewusst daran, dieses gespielte „O“ in Seufzer echter Leidenschaft zu verwandeln, und das gelang ihm auch.
Natürlich war es ihm gelungen. Er kannte alle Stellen am Körper einer Frau, die sich nach der Berührung eines Mannes sehnten, nach seinen
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