Heiße Hüpfer
Sid.«
Rincewind wich noch etwas weiter zurück, tastete nach einem Tisch mit Messern und schloß die Hand um einen Griff.
Er verabscheute Waffen, denn sie machten alles immer noch komplizierter und schlimmer. Aber man konnte mit ihnen auch Leute beeindrucken.
Die Tür schwang auf. Mehrere Leute sahen herein, unter ihnen der Wärter.
»Das ist er!«
»Ich warne euch, ich bin ein verzweifelter Mann«, sagte Rincewind und hob die Hand. Mehrere Köche versuchten, in Deckung zu gehen.
»Das ist eine Schöpfkelle, Kumpel«, sagte einer der Wächter freundlich. »Aber wie dem auch sei: Du bist mutig. Das gefällt mir. Was meinst du, Charley?«
»Es soll später nicht heißen, daß ein tapferer Bursche wie er in meiner Küche gefaßt wurde«, erwiderte Charley. Mit der einen Hand griff er nach einem Hackbeil, in der anderen hielt er die Schüssel mit der Pfirsichnellie. »Verschwinde durch die andere Tür, Rinso. Wir kümmern uns um die Polizisten.«
»Meinetwegen«, sagte der Wächter. »Eine Schlägerei in einer Küche… Das ist kein richtiger letzter Kampf. Wir zählen bis zehn, in Ordnung?«
Rincewind hatte erneut das Gefühl, daß er nicht das gleiche Skript wie alle anderen bekommen hatte.
»Ihr habt mich in die Enge getrieben und wollt mich trotzdem nicht verhaften?« vergewisserte er sich.
»Nun, in einer Ballade macht sich das nicht besonders gut«, entgegnete der Wächter. »Solche Dinge muß man berücksichtigen.« Er lehnte sich an den Türpfosten. »Da wäre zum Beispiel das Postamt in der Grurtstraße. Ein entschlossener Mann könnte es dort zwei oder drei Tage lang aushalten. Anschließend läufst du auf die Straße, wir spicken dich mit Pfeilen, du sprichst einige Berühmte Letzte Worte… Ich wette, noch in hundert Jahren hören die Kinder in der Schule deinen Namen. Und sieh dich nur an.« Er trat vor, schenkte der tödlichen Schöpfkelle keine Beachtung und zupfte kurz an Rincewinds Mantel. »Wie viele Pfeile kann dieses Ding abhalten?«
»Ihr seid ja verrückt!«
Charley schüttelte den Kopf. »Ein mutiger Kämpfer kommt bei den Leuten gut an. Es entspricht der icksianischen Tradition. Kämpfend in den Tod gehen, so heißt unser Motto.«
»Wir haben gehört, daß du mit der Straßenbande fertig geworden bist«, sagte der Wächter. »Verdammt gute Arbeit. Wer zu dieser Tat fähig ist, läßt sich nicht hängen, sondern stellt sich zu einem letzten Kampf.«
Inzwischen befanden sich alle Männer in der Küche. Der Weg zur Tür war frei.
»Habt ihr jemals das Berühmte Letzte Weglaufen erlebt?« fragte Rincewind.
»Nein. Was ist das?«
»Tschüs!«
Er rannte durchs dunkle Hafenviertel, und hinter ihm rief jemand:
»So ist es richtig! Wir zählen bis zehn!«
Rincewind sah auf, während er lief – das große Werbeplakat über der Brauerei leuchtete nicht mehr. Eine Sekunde später merkte er, daß dicht hinter ihm jemand hüpfte.
»O nein! Nicht du schon wieder!«
»Hallo«, sagte Scrappy und erreichte Rincewinds Seite.
»Sieh nur, welches Durcheinander du mir beschert hast!«
»Durcheinander? Du solltest morgen früh gehängt werden! Und jetzt genießt du die frische Luft in diesem prächtigen Land!«
»Und es wird nicht mehr lange dauern, bis ich voller Pfeile stecke!«
»Pfeilen kann man ausweichen. Hier wird ein Held gebraucht. Meisterscherer, Straßenkrieger, Bandit, Schafdieb, Reiter… Jetzt brauchst du nur noch in irgendeinem dummen Spiel gut zu sein, das erst noch erfunden werden muß und das man mit einem Schlagholz und einem Ball spielt. Und wenn du dann noch mit geliehenem Geld einige hohe Gebäude errichtest, ist alles geritzt. Dann wird niemand mehr versuchen, dich umzubringen.«
»Das tröstet mich kaum! Außerdem habe ich mich überhaupt nicht so verhalten. Ich meine, habe ich doch, aber…«
»Es kommt darauf an, was die Leute glauben. Und derzeit glauben sie, daß es dir gelungen ist, aus dem Gefängnis auszubrechen.«
»Aber ich habe doch nur…«
»Spielt keine Rolle! Inzwischen gibt es bestimmt so viele Leute, die dir die Hand schütteln wollen, daß man erst gegen Mittag dazu käme, dich zu hängen!«
»Hör mal, du hüpfende Riesenratte, ich hab’s bis zu den Docks geschafft, klar? Ich laufe schneller als meine Verfolger, und ich kann mich verstecken! Ich gehe als blinder Passagier an Bord eines Schiffes, werde seekrank, entdeckt und über Bord geworfen, um mich zwei Tage lang an einem alten Faß festzuhalten, durch meinen Bart gesiebtes Plankton zu
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