Heiße Nächte: Erotischer Roman (German Edition)
Es ist gerade feucht genug, um jemanden in sich aufzunehmen.
»Wer sind Sie?«
Die Frage verblüfft ihn, eine andere Musik erklingt. Als wollte sie seine Antwort übertönen oder ersetzen, erfüllt plötzlich die raue Stimme der Faithfull den Raum. Das Geschlecht bewegt sich im Rhythmus der Musik. Keine Chance, sein eigenes Geschlecht versagt. Zu viele Gefühle oder nicht genug davon.
»Scheiße!«
Er hat so laut geschrien, dass er die Faithfull übertönt hat. Dem dritten Lichtstrahl nach zu urteilen, der ganz an der Seite erscheint, ist auch für diesen Fall gesorgt. Auf einem Verkaufsständer sind drei Instrumente aufgereiht: aus Leder, Knochen und Gummi mit weichen Noppen. Die Viertelstunde neigt sich dem Ende entgegen. In der Eile greift er das Erstbeste, irgendeins. Der Gegenstand gleitet problemlos in das geschmeidige Geschlecht, verschwindet darin und ist unerreichbar, als der Mann danach greifen will.
Jetzt nimmt das Geschlecht beide in sich auf, hält den Gegenstand gefangen und umschließt das Glied mit seinem einzigartigen Schlund. Der Mann kann sich kaum bewegen, wird festgehalten und aufgesogen. Das Gefühl von nasser Haut und warmem Leder gefällt ihm. Diese Enge, die seine Rute immer stärker bedrängt. Von seiner Stirn tropfen Schweißperlen auf ihre Scham. Die Augen schließen, um den Höhepunkt hinauszuzögern. Die Ohren spitzen in der Hoffnung, ein Stöhnen auszumachen, und sei es noch so schwach. Irgendetwas, das zu diesem Geschlecht gehört, das ihn vollkommen verschlingt. Nichts. Kein Atemzug. Er weiß genau, wenn sie nur einen Millimeter nachgibt, kommt er. Schnell, viel zu schnell.
Ab und an stellen Sie Ihren Körper für diese Vorstellung zur Verfügung. Die bescheidene Gage spielt keine Rolle. Sie lieben Berlin, seinen Schwefelgeruch, seine Lebendigkeit, und auch die Begegnungen mit den vielen Unbekannten. Zwischen den vier Wänden einer Baustellenbaracke bilden Sie ein Triptychon. Sie teilen sich. Damit der Mann glaubt, dass ihm dort mehrere Frauen zu Diensten seien.
Zimmer Nummer 1
Sonntag, 2. August, 17 Uhr
Pierre ist Physiker. Pierre sammelt antike Bücher über Anatomie, Buchdruck, Totentänze und Briefwechsel, naive Bilder anonymer Künstler, Schädel von großen Tieren und Briefmarken aus Kleinasien. Alles, womit man ein Zimmer vollstopfen kann, sodass die Unordnung irgendwann ihre ganz eigene Ordnung entwickelt. Sie treffen sich bereits seit Längerem regelmäßig mit ihm, denn er erwartet nicht, etwas über Sie zu erfahren. Die Begegnungen finden nicht in seinem Haus statt. Dort waren Sie nur ein einziges Mal, als eine Ihrer wenigen Bekannten Sie mitgenommen hat, weil sie meinte, Sie könnten seinen Charakter erkennen. Pierre hat eine möblierte Wohnung im fünften Arrondissement der Hauptstadt gemietet. Sie ist winzig und befindet sich in der Nähe der Statue von Diderot. Nur deshalb hat er sie genommen. Sie werden ihn niemals nackt erleben. Sie berühren nicht seine Haut. Diese Regeln haben Sie überzeugt. Er kann nichts für seine Hässlichkeit, die alle anderen abschreckt. In gewisser Weise hängen Sie an Pierre: Sie schätzen seine Bildung, seine Träumerei und dass er sich langsam zu Tode säuft – vielleicht bleiben ihm noch ein paar Jahre auf dieser Welt, vielleicht aber auch nur noch wenige Monate? Dieser Mann sucht das Theater, den dunklen Bühnenvorhang, die purpurroten Sessel und das Gold. Ein anderes Jahrhundert steigert seine Erregung.
Sie steigen die Holztreppe hoch, klopfen an die Tür. Keine einleitenden Worte, auf keinen Fall ein Gespräch, noch nicht einmal eine der üblichen Begrüßungsfloskeln. Er bittet Sie gleich, Ihren Slip abzustreifen und an den Knöcheln zu belassen. Möglichst weit unten, sodass er sie bei jeder Bewegung behindert. Sie folgen seiner Anweisung und schieben den Stoff langsam die Schenkel hinunter. Er fordert Sie auf, näher zu kommen und dabei Ihr Kleid hochzuheben. Sie sollen sich im Kreis drehen, bis er Ihnen bedeutet aufzuhören. Sie gehorchen gern. Sehr gern. Langsam gehen Sie auf ihn zu. Wenn Sie zittern, kommt das daher, dass Sie ihm vor dieser Verabredung etwas versprochen und nicht gehalten haben. Er wird ungeduldig. Er will, dass Sie mehr von sich zeigen. Es kommt, was Sie befürchtet haben: Ihre animalische Art stößt ihn ab. Glatt, er will Sie glatt. Eigentlich müssten Sie Ihren Slip anziehen und gehen. Aber nein, Sie sind da, um sich zu drehen, wie eine Maschine.
Sie kennen die Regel. Es gibt keine Ausnahme.
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