Heiße Schatten
überrascht von so viel Darstellungskunst bei einem maskulin gebratenen Steak. Ich fühle mich herausgefordert, und ebenso ist sein Blick. Er weicht keinen Zentimeter zurück, seine Finger berühren jetzt meine. Und plötzlich wünsche ich mir, er würde mich richtig festhalten, denn während seiner Beschreibung ist mein Puls ganz schön gestiegen. Hat er wirklich von einem Steak gesprochen? Ich hole zu einer Antwort aus …
… als gerade in diesem Moment der Hauptgang unseren Tisch erreicht. Steak, ausgerechnet, und zwar vom Kobe-Rind, dem wertvollsten Rind der Welt! Dazu ein dunkelroter Wein, dessen Aroma nach Brombeeren und Eichenholz den des Fleisches wundervoll ergänzt. Ich bin sprachlos. Das ist in der Tat ein kulinarisches Highlight. Das Stück ruht auf einem heißen schwarzen Teller, am Rand eine Garnitur aus drei geometrisch perfekt arrangierten Soßen – für Jean-Paul nicht schlecht, aber man hätte mehr daraus machen können. Mir kommt eine Idee … Der Gedanke ist nur noch halb professionell, eigentlich ziemlich frech – soll ich wirklich?
Noch immer lehnt sich Konstantin mir erwartungsvoll entgegen. Er hat gut vorgelegt, aber mein Plan ist ein ziemlich heißes Unterfangen. Soll ich wirklich? Egal, besser wir klären die Möglichkeiten zu früh als zu spät, flüstert meine innere Stimme. Ich winke den Kellner heran und flüstere ihm etwas zu. Dann nehme ich das Glas Rotwein, lehne mich zufrieden zurück und schaue Konstantin herausfordernd an. Er hält meinem Blick stand, keiner weicht zurück. Keiner blinzelt als Erster. Als ich es fast nicht mehr aushalte, bringt der Kellner mir ein kleines Schälchen mit erwärmter Sahne, grobes Meersalz, eine Orchideenblüte und ein paar Zahnstocher. Ich tropfe vorsichtig etwas von der Sahne über den Rand des beinahe vier Zentimeter dicken Steaks. Mit den Schneidezähnen zerbeiße ich langsam die Spitze eines Zahnstochers, bis sie wie ein kleiner Pinsel aussieht, wobei ich Konstantin nicht aus den Augen lasse. Sein Blick folgt dem Zahnstocher zwischen meine Lippen. Mein kleines Lächeln will ziemlich groß werden.
Mit ein paar gekonnten Strichen entsteht aus der Sahne die Figur einer nackten Frau, die sich auf dem Rücken liegend auf dem Steak räkelt. Ihre Arme befinden sich seitlich von ihrem Körper, das Haar ist aus Balsamico. Die Beine sind auf dem Teller leicht angewinkelt und ein wenig geöffnet. Einige Körnchen Meersalz auf ihrem Schritt ziehen die Flüssigkeit zusammen, sodass die Illusion eines dunkleren Dreiecks entsteht. Ich schaffe es, eine kleine Kunstpause einzulegen.
Mit einem langen Blick in die aufregendsten Augen der Welt und einem herausfordernd gereckten Kinn lasse ich ihre Brüste, auf denen zwei Pfefferkörner die Brustspitzen andeuten, und ihre Intimzonen unter dem Orchideenblatt verschwinden. Weg sind sie!
Zufrieden lehne ich mich wieder zurück und gebe dem Kellner das Signal, meinem zweiten Wunsch zu entsprechen: Er vertauscht die Teller, sodass die bedeckte Schönheit nun vor Konstantin liegt. Wie würde er sie essen? Würde er die Orchidee herunternehmen und sie damit wieder entblößen?
Seine Verwirrung ist ihm deutlich anzusehen. Ratlos überlegt er, wo er nun Messer und Gabel ansetzen soll, oder ob er erst das Orchideenblatt entfernt, damit aber kurzerhand die nackte Schönheit zum Vorschein bringt. Nur mit Mühe gelingt es mir, nicht in lautes Lachen auszubrechen. Was er nun an meiner Stelle tut. Er lacht laut und schallend. Das halbe Restaurant blickt zu uns. Eine kleine vergnügte Träne bildet sich in seinem Augenwinkel.
»Valerie, der Punkt geht an Sie«, prustet er. Erleichtert lache ich mit ihm. Wie wunderschön er aussieht, wenn er so befreit wirkt. »Sie haben mich wirklich überrascht!«, sagt er und greift meine Hand. »Mir scheint, wir werden eine gute Zeit miteinander haben. Kochen Sie, wie Sie wollen, Sie haben freie Hand!«
Leider lässt er mit diesen Worten meine Hand wieder los, um mit mir darauf anzustoßen. Ich hätte sie gerne noch ein Weilchen gehalten; es fühlte sich so gut an.
»Ich freue mich auf unsere Zusammenarbeit«, sagt er leise und mit einem rauen Ton in der Stimme. »Lassen Sie all Ihrer Fantasie freien Lauf, ich werde Sie darin unterstützen.«
Dienstlich klingt das nicht, da bin ich mir sicher!
Was für ein toller Abend!
Auf das Dessert habe ich verzichtet – mir war klar, dass es meinen Ansprüchen nicht genügen würde, und ich wollte unserem harmonischen Beisammensein keinen
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