Heiße Schatten
Es fühlt sich einfach nur richtig an. Er tröstet mich. Oder bedeutet dieser Kuss vielleicht sogar mehr als Trost?
»Du darfst wirklich mit dem Konstantin Steinburg in seiner Jacht um die Welt reisen?« Sie betont jedes Wort. »Er rettet dein Leben, ihr küsst euch, und ich erfahre es erst hinterher?«
Die Empörung in Samanthas Stimme lärmt wie eine Feuerwehrglocke in meinen Ohren. Ich muss lachen. Samantha ist nicht nur meine beste Freundin, sie ist auch Society-Reporterin und betont ständig, dass sie als Journalistin ernst genommen werden möchte – Handwerk sei schließlich Handwerk.
Wir sitzen in meiner Dachwohnung, meinem Nest. Morgen werde ich abreisen und die nächsten Wochen auf der Jacht verbringen. Die Abendsonne durchflutet den Raum mit den großen Fenstern mit warmem Licht. Der winzige Balkon ist mit Kräuterkästen in bunten Halterungen üppig behängt. Die Hälfte des Raumes besteht aus einer offenen Küche, vom Wohnbereich mittels einer Theke aus dickem Holz abtrennt. Bunte Stoffe und ein bedruckter Kastentisch sorgen für weltläufige Fröhlichkeit. Ich öffne mit einer gekonnten Bewegung die Sektflasche, um meinen neuen Job und den vergangenen Abend zu feiern.
Sam streckt ihre langen Beine von einem bunten Sitzkissen. Solche Beine hätte ich auch gerne, aber sie geht jeden Tag ins Fitnessstudio. Ich nicht, ich schwimme zwar manchmal, aber sonst bummle ich lieber durch die Cafés und überlege neue Rezeptideen. Als Freundin in allen Lebenslagen ist Sammy unschlagbar. Leider hat sie sich zum Ziel gesetzt, mich endlich mit einem Mann zu verkuppeln, der im Bett richtig gut ist – bislang ebenso nervig wie erfolglos.
»Jetzt weißt du, was passiert ist«, beende ich meinen Bericht. »Ich hätte es dir früher erzählt, aber ich bin mir nicht sicher, was ich von ihm halten soll.«
»Was? Das kann doch nicht wahr sein! Mit einem Typen wie Tom bist du sofort ausgegangen und bei Konstantin Steinburg überlegst du zweimal?«
»Kennst du ihn etwa?«
»Eben nicht, das ist es ja! Es gibt fast keine Fotos, keine Partys bei Bootstaufen, kein bekanntes Privatleben. Er ist geheimnisvoll! Jetzt erzähl endlich, wie ist er?«
Wo fange ich an? Ich merke, wie ein Lächeln über mein Gesicht streichelt. Erhöht sich tatsächlich gerade mein Puls? Will ich das? Ich drehe mein Sektglas und versuche, sachlich zu sein. »Also, er sieht ganz gut aus
Sam hakt gleich nach: »Und? Das heißt? Valerie, raus mit der Sprache! Kann er gut küssen?«, und legt mit fröhlichem Spott nach: »Dienstbesprechung, soso … ich meine, Muscheln und Champagner – erotischer geht’s doch nicht mehr. Mal ehrlich: Der Mann steht auf dich!«
Ich denke an den Abend zurück, an das Essen und daran, wie er mich nach dem Überfall in seinen Armen gehalten hat. Den Kuss … Ein wohliger Schauer prickelt wie sandiger Wüstenwind über meine Schultern. Aber sind wir deswegen jetzt zusammen?
Ich bleibe bei den Fakten: »Das Wichtigste zuerst: Er ist der beste Küsser, der jemals seine Lippen auf meinen hatte«, verkünde ich.
Dann suche ich nach den rechten Worten: »Manchmal hat er ganz kurz etwas … Lauerndes in seinen Augen, wie ein dunkelblauer Schatten. Ansonsten sind sie stahlhart. Wenn er mich ansieht, komme ich aus dem Blick nur schwer heraus. Ich weiß nicht … da liegt etwas unter der Oberfläche.«
»Unter der Oberfläche oder unter dem Hemd?«, hakt Sam nach. Mit diesem Thema kennt sie sich bestens aus.
Ich lache und denke an die kleinen Brusthaare, die aus seinem Hemdkragen ragten. Die würden bestimmt angenehm an meinen Lippen kitzeln. Vielleicht würden sie sich auch in meinen Wimpern verhaken, irgendwann. Er hat auch so gut geduftet. Und die paar Knöpfe …
»Na ja, kann ich nicht ganz genau sagen«, erwidere ich. »Wenn er mich so ansieht, fühle ich mich ziemlich ausgezogen, aber er hat mir kein einziges Mal auf den Hintern geguckt, glaube ich!«
»Ich kann dir versichern, dass du dich täuschst, Süße! Aber es gefällt mir, dass er diskret war.« Sie beugt sich nach vorne: »Du bist verliebt!«
»Bin ich nicht! Das würde niemals klappen! Kuss hin oder her, wir passen gar nicht zusammen«, halte ich sofort heftig entgegen.
»Dafür wirst du aber gerade ganz schön rot, Valerie. Gib es zu, du hast schon über den Kuss hinaus gedacht!«
Ich versuche, ihrem forschenden Blick auszuweichen. Der Gedanke an Konstantin macht mir Spaß, aber es wäre wohl aussichtslos, an eine richtige Beziehung zu
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