Heiße Schatten
professionellen Dämpfer aufsetzen. Stattdessen habe ich tatsächlich noch ein weiteres Glas Champagner getrunken und mich wunderbar mit Konstantin unterhalten, viel gelacht und mich auf die Besonderheiten der Gäste gefreut, die wir erwarten können und die Konstantin lebhaft beschrieb.
Jetzt habe ich einen kleinen Schwips, fürchte ich.
»Ich fahre dich nach Hause«, entscheidet Konstantin, als wir wieder vor der Tür des Meridien stehen – ein Weg, der ebenso wie der Weg hinein von etlichen Begrüßungen und Verabschiedungen begleitet wird. »Mein Wagen steht dort hinten.«
Gar nicht so einfach, auf hohen Schuhen nach drei Gläsern Champagner und einem Glas Rotwein geradeaus zu laufen. Als ich das zweite Mal umknicke, greift Konstantin mir unter den Arm, und wir gehen eingehakt in die Richtung der Seitenstraße, in der sein Jaguar X-Type parkt. In diesem Moment bin ich so in mein eigenes Glück vertieft, dass ich die zwei dunklen Gestalten nicht bemerke, die unter der Unterführung herumstehen, die uns von seinem Wagen trennt. Ganz im Gegensatz zu Konstantin, denn seine Haltung strafft sich. Ich blicke von der Straße auf, als die Gefahr schlagartig spürbar wird. Es fühlt sich an wie eine elektrische Ladung in der Luft, wie direkt vor einem Blitzeinschlag. Die beiden versperren uns den Weg. Und beide haben Messer.
»Wohin so spät, schöne Frau?«, drängt sich einer in meine Richtung. »Wegezoll! Geht auch in Naturalien!«, knurrt er drohend und mit lüsternem Blick auf mich. An seinem breiten Nacken verschwindet ein riesiges Tattoo in seiner schwarzen Jacke. Jetzt habe ich Angst.
»Geld her! Davon habt ihr doch sicher genug.« Der eine hält sein Messer nun genau in meine Richtung, während er Konstantin anguckt.
Der bleibt ruhig stehen, die Beine leicht angewinkelt, während er mich unauffällig hinter sich schiebt. »Jungs, ihr wollt doch wohl nicht, dass jemand verletzt wird. Macht einfach den Weg frei und niemandem passiert etwas.«
Ein höhnisches Lachen folgt auf seine Worte. Die beiden rücken näher. Ich werde blass. Alle Härchen in meinem Nacken sind aufgerichtet. Was sollen wir tun? Es sind zwei kräftige Männer. Die Tätowierungen im Nacken und auf den Händen lassen jetzt deutlich Totenköpfe erkennen, und sie sind bewaffnet. Ich will Konstantin gerade zuflüstern, ihnen das Geld zu geben, da tritt er in Aktion. Mit unglaublicher Geschwindigkeit springt er dem Größeren entgegen und entreißt ihm das Messer. Mit einer schnellen Drehbewegung stößt er es dem anderen so in den Arm, dass der sein eigenes Messer fallen lässt. Mit einem kleinen Kick tritt Konstantin die Waffe einige Meter weiter weg. Dann rammt er dem ersten seine Faust mit gewaltiger Härte ins Gesicht. Das schreckliche Geräusch einer brechenden Nase entsteht zeitgleich mit einem Schwall Blut im Gesicht des Gangsters. Der zweite verharrt bewegungslos – damit hatte er wohl nicht gerechnet – und blickt auf seinen blutenden Arm. Konstantin schlägt mit seiner Faust von unten gegen sein Kinn, woraufhin der Wegelagerer sofort zu Boden geht, auf die Seite kippt und auf dem Gesicht liegen bleibt. Konstantin stellt ihm seinen Fuß in den Nacken. Der andere greift wieder an, die blutige Nase mit einer Hand schützend und den Kopf wie einen Rammbock nach vorne geneigt; er stößt einen gewaltigen Kampfbrüller aus, den Vernichtungsschrei eines verletzten Wesens. Konstantin weicht zur Seite und rammt dem Anlaufenden den Ellenbogen auf die kurze Rippe, sodass auch der gekrümmt zu Boden sackt. Konstantin schickt einen brutalen Tritt in den Bauch hinterher. War das nötig?, schießt es mir durch den Kopf. Ja, war es, die beiden hätten uns umbringen können. Stattdessen sind nun beide Angreifer außer Kraft gesetzt. Mein Begleiter ist mit gnadenloser Härte, Brutalität und Schnelligkeit vorgegangen.
Ich verstehe noch gar nicht, was hier eigentlich passiert ist, als Konstantin meinen Arm nimmt und mich nach einem kurzen, verächtlichen Blick über die Schulter wegführt, als wäre nichts passiert. Nicht einmal sein Herzschlag scheint beschleunigt. Im Gegensatz zu meinem. Ein paar Meter weiter werden mir die Knie weich, ich sinke gegen ihn. Konstantin fängt mich auf.
»Keine Angst«, flüstert er, sein Gesicht ganz dicht vor meinem. Unsere Blicke verschmelzen, dann spüre ich seine Lippen auf meinem Mund. Ganz kurz nur, ganz sanft, als wäre nichts anderes möglich gewesen. Er streichelt meine Wange, ganz sanft. »Alles gut!«
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