Heiße Sonne der Verfuehrung
Erste Maat bahnte sich seinen Weg den Strand hinauf. Als er auf seinen Captain traf, steckten sie ihre Köpfe zu einem hitzigen Gespräch zusammen. Ran fuhr sich mit den Fingern durchs Haar, dann schaute er zu Aurora hinüber, seine Gesichtszüge boten ihr ein Bild des Mitleids. Panik machte sich in ihr breit, denn dieses Mitleid schien einem anderen Wesen zu gelten als ihr. Sie ließ sich aus dem Sattel gleiten, raffte ihre Gewänder und rannte zu den beiden Männern hinüber.
Zuerst ergriff sie Ransoms Arm, dann Domingos. Ihr Atem ging schnell und flach. »Es ist Shokai!«, keuchte sie; ihre Hände zitterten, und Rans Augen blitzten auf. »Warum habt Ihr es mir nicht gesagt?«, schrie sie.
Zum Teufel noch mal, wie konnte sie das wissen? »Ich hatte vorgehabt, Euch zu warnen, Mylady«, versuchte Ran sie zu beruhigen, »sah jedoch keinen Sinn darin, Euch zu ängstigen, solange wir ihn, wie es ja bis gerade eben der Fall war, sowieso nicht erreichen konnten.«
»Bringt mich zu ihm.«
Ran schaute Domingo an, dann machte er eine Kopfbewegung in Richtung des Beibootes. Der fragende Blick des Spaniers ruhte einen Moment lang auf Aurora, dann ging er fort und gab sofort Befehle, das Boot zu Wasser zu lassen. Während Aurora schon hineinkletterte, sammelte Ran ihre Besitztümer zusammen und befahl zwei Männern, so lange bei den Pferden zu bleiben, bis er ihnen ein Zeichen gab. Er warf die Taschen in das Boot und schob es ins Wasser, indem er mit seiner Schulter gegen den Bug drückte; dann sprang er selbst hinein, nahm den Platz achtern ein und lenkte das Boot zur Red Lion hinüber.
Auroras schmale weiße Hand umklammerte den Rand des Bootes, ihre Augen waren auf das in die Dunkelheit gehüllte Flaggschiff ein paar hundert Meter vor ihnen gerichtet. Sie schaute niemanden an. Ran fragte sich, woher sie/wusste, dass ihr Beschützer im Sterben lag. Wenn der Schiffsarzt recht hatte, so blieben dem alten Mann nur noch wenige Stunden auf dieser Erde. Das wird sie vernichten, dachte Ran.
Als das Beiboot gegen den Rumpf der Lion stieß, ergriff Aurora, ohne Ran zu beachten, die Strickleiter und hievte sich an der Seitenwand des Schiffes hoch. Ihre Gewänder zusammengerafft, sodass ihre nackten Füße zum Vorschein kamen, bewegte sie sich mit der Anmut und Geschwindigkeit einer Katze. Sie schüttelte die Hilfe sich anbietender Hände ab, als sie die Reling erreichte. Ran schwang sich gerade noch früh genug über die Schiffswand, um zu sehen, wie zwei Crewmitglieder Aurora ergriffen und ihr den Zutritt ins Schiffsinnere verweigern wollten. Sie kämpfte völlig außer sich, und ein Bombardement gälischer Flüche war zu hören, bevor sie einem Mann ans Schienbein trat, sich dann herumdrehte, sich gegen einen anderen warf und einen dritten beinahe mühelos über ihre Schulter hinüber aufs Deck katapultierte. Ran erstarrte, schaute von dem gefallenen Mann zu ihr hin und dann zu dem, der noch immer seine Wade umklammert hielt.
Aurora rannte zum Eingang, während die Crewmitglieder ihr folgten.
»Lasst sie gehen!«, befahl Ran, als sie im Schiffsinneren verschwand. Er schritt hinter ihr her, warf dem Seemann, der noch immer auf dem Rücken lag und nach Atem rang, einen verachtungsvollen Blick zu und folgte ihr dann.
Ein langer, klagender Schrei ließ die Wände des mit vierzig Kanonen ausgerüsteten Flaggschiffes erzittern. Ran erschauderte. Der jammervolle Laut kam aus dem Quartier des Schiffsarztes. Im Innern der Kajüte war der Gestank unerträglich, trotzdem kniete Aurora sich neben den alten Mann auf den Boden, riss Streifen von ihren Kleidungsstücken und benutzte den Stoff, um seine eiternden Wunden abzutupfen. Sie zerrte die Verbände ab, mit denen die Schnitte des Schiffsarztes verbunden waren, und begutachtete Shokais Arm.
»Aurora?«
Sie warf einen hastigen Blick über ihre Schulter. »Schaut, was dieser Schlächter«, sie machte eine Handbewegung in Richtung des Schiffsarztes, »mit meinem Shokai gemacht hat!«
Ran blinzelte Aurora an, die wie eine fauchende Tigerin, deren Krallen ausgefahren waren, dahockte, scheinbar bereit, den Schiffsarzt bei lebendigem Leib zu verspeisen.
»Er ist ein fähiger Mann, Mylady, der seine Hilfe angeboten hat – übrigens auf meinen Befehl hin.«
»Ihr könnt nichts weiter anbieten als den Tod!«, fauchte sie den Arzt verächtlich an und wandte sich dann wieder Ran zu. »Was habt Ihr mit meinem Beutel gemacht?«
Ran drehte sich zum Gang hin und rief nach Dahrein, damit dieser
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