Heiße Sonne der Verfuehrung
vier, in Schwarz gekleidet und mit maskierten Gesichtern. Wir haben nichts gehört, bis sie nach dem alten Mann schrie«, fuhr er fort, während Ran die Vertiefungen in der Wand und auf dem Holzsims abtastete.
Er sah hinaus und erkannte, dass die Eindringlinge es nicht weit gehabt hatten, da sich das Dach des stillen Örtchens direkt unter dem Fenster befand. Er war unvorsichtig gewesen. Wütend über die Distanz, die sie zwischen sich und ihm aufgebaut hatte, und verwirrt durch ihre Rituale, hatte er sich nicht gründlich genug um ihren Schutz gekümmert.
Es ist meine Schuld.
Verdammt noch mal, dachte er und strich sich das Haar aus der Stirn, warum haben nur so viele die Absicht, diese kleine Frau zu besitzen? Es gab keine Scharen von Zuschauern, und doch hatte es den Anschein, als wäre dies eine sehenswerte Schlacht gewesen. Und trotzdem hatten alle, die sich in Hörweite befunden hatten, den Kampf nicht bemerkt. Es fiel ihm schwer zu glauben, dass Castille so leicht niedergestreckt worden war; der kräftige, einäugige Spanier lebte für seine Schlachten. Und wie hatte wohl Aurora diesen … Kampf hier überstanden? Gütiger Gott, hatte sie ihn vielleicht vergeblich um Hilfe gerufen? Die Vorstellung ließ seinen Magen zusammenkrampfen, und er ballte die Fäuste. Der Duft von Lavendel erregte ihn jäh. Ran öffnete eine seiner Hände; in der Handfläche lag zermalmt das vergessene Kraut.
Aurora. Wohin bist du nur verschwunden?
Wirst du diese Entführung überleben?, zerbrach er sich den Kopf. Wird dein Beschützer es tun?
Sein Blick wurde durch eine Bewegung zu Lougière hinübergezogen, der gerade dabei war, sein zerrissenes Hemd in seine Kniehose zu stopfen und in dem Durcheinander nach seinen Waffen zu suchen. Er fand sie und stöhnte enttäuscht angesichts des zerbrochenen Griffes seiner Pistole, steckte diese aber trotzdem in seinen Gürtel. Er humpelte zur Tür und warf dann einen Blick zurück. Ransom bückte sich, um nach Auroras Beutel zu greifen, da fiel ihm das Blut auf dem Boden ins Auge.
»Das ist meines, Sir«, beruhigte Lougière ihn. Ran warf ihm einen vernichtenden Blick zu, doch den Quartermeister verblüffte die Sorge, die er ebenfalls darin entdeckte. Er sagte nichts, als Ran den Beutel unter seinen Arm klemmte und schnell den Raum verließ.
»Captain?« Lougière lehnte sich gegen den Türrahmen, und ihm stockte der Atem, als er sich in die Seite fasste.
»Wir werden sie suchen, Lougière«, sagte er, ohne sich umzuschauen, und ging dann die Treppe hinunter. »Wir werden jede verdammte Handvoll Sand in dieser Stadt umdrehen, bis wir sie gefunden haben.«
»Und wenn wir sie nicht finden, Sir?« Lougière humpelte hinter ihm her.
Ran blieb heim Treppenabsatz stehen; sein Körper war angespannt, seine Kiefermuskulatur arbeitete heftig. Dann seufzte er tief und schaute über seine Schulter zurück. »Dann werden wir absegeln.«
Drei Tage später war es dann Domingo, der Ran überzeugen konnte, die Suche zu beenden. »Sie ist nicht in der Stadt, mein Freund.«
»Sie muss aber da sein!« Er schlug mit der Faust gegen die Reling, hörte jedoch nicht auf, den Kai zu beobachten, und wenn die Lage nicht so ernst gewesen wäre, so wäre Domingo amüsiert gewesen angesichts der Gefühlsregungen, die Ran in den vergangenen Tagen gezeigt hatte.
»Welches Tempo können sie schon mit dem alten Mann einlegen?«
»Vielleicht ist er ja irgendwo zum Sterben zurückgelassen worden? Das wäre nicht unrealistisch.«
Ran warf seinem Ersten Offizier einen wütenden Blick über die Schulter zu. »Fahr doch zur Hölle!« Mit seinem letzten Wort stieß er sich von der Reling ab, und Domingo wusste nicht, ob Ran ihn oder Aurora verfluchte. Ungeachtet dessen wusste er, dass der Captain nicht aufgeben würde, bis man entweder sie oder einen Beweis für ihren Tod gefunden hätte, oder bis er die Sache einfach akzeptiert hätte. Drei Bewohner Tangers hatten fast ihr Leben lassen müssen dafür, dass sie sich geweigert hatten, sich seinen Verhören zu unterwerfen. Nun schritt er wie ein eingesperrtes Tier auf dem Achterdeck auf und ab, gab bellende Befehle und knurrte bei jeder Bewegung, die einer der Seemänner machte. Wenn er nicht gerade hinter den Männern her war und sie anfuhr, schneller und gewandter zu sein, so kletterte er auf den Mast, reparierte Segel, holte Leinen ein und strapazierte seinen Körper und seinen Geist so lange, bis ihm nichts anderes mehr übrig blieb, als sich schlafen zu legen.
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