Heiße Sonne der Verfuehrung
Dies linderte ihr Bedauern, als sie beobachtete, wie ihr neues Heim für die nächsten vierzehn Tage sich seinen Weg durch das Wasser zum Flaggschiff hin bahnte. Die Morgan, ein mächtig gebautes Schiff in Mitternachtsschwarz mit vier Masten, bewegte sich in einer Geschwindigkeit fort, die sie in Erstaunen versetzte, geschickt befehligt von Nickolas Ryder. Nun, was spielte es schon für eine Rolle, wo sie sich aufhielt? Ihre Zeit an Bord der Lion war die längste gewesen, die sie je an ein und demselben Ort verbracht hatte, seit sie sechzehn war. Es war jedoch nicht der Ort, den sie vermissen würde, sondern die Menschen.
»Macht das Schiff klar.«
Aurora verkrampfte sich, als dieser Befehl bei ihr ankam; dann jedoch, als die Männer Seilrollen vor die Aus- und Einstiegslücke in der Reling legten, befreite sie sich wieder von diesem ärgerlichen Gefühl.
»Ma’am.« Sie drehte sich um. Leelan zog höflich seinen Kopf ein und zerdrückte seine gestrickte Mütze in seiner Hand. Sein Arm war bis zum Handgelenk verbunden. »Ich hatte noch keine Gelegenheit, Euch zu danken.«
»Das hast du doch schon getan, Leelan, indem du lebst. Das ist Dank genug.«
Leelan kam sich gedemütigt vor, er neigte sich plötzlich nahe an sie heran, um ihr einen flüchtigen Kuss auf die Wange zu geben. Gerührt durch diese Geste schnappte Aurora nach Luft und berührte ihr Gesicht. Er errötete, schaute um sich und errötete noch ein wenig mehr.
Auf dem Achterdeck stehend, erstarrte Ran bei diesem Anblick, ärgerte sich jedoch sofort über seine Reaktion. Einer nach dem anderen näherten die Männer sich ihr vorsichtig, als hätten sie Angst vor ihr. Dabei bot sie ihnen ein strahlendes Lächeln, und Ran beobachtete, wie es ihr gelang, hartgesottene Seemänner durch ihre Worte freundlich zu stimmen. Auch sie spüren ihren nährenden Geist, dachte Ran, als schließlich Buckland vortrat. Aurora hielt ihm ihre Hand hin und lachte leise, als er sich wie ein Ritter, der um die Gunst einer Dame buhlt, über sie beugte. Einen Moment später steckten sie und der Doktor ihre Köpfe im Gespräch zusammen. Ran fühlte sich isoliert. Die Trennung wurde noch komplizierter durch seine Eifersucht, als Lougière sich zu der Gruppe gesellte. Er lehnte sich neben ihr gegen die Reling zurück, und zwar auf diese lässige Art, die Frauen so faszinierend finden. Bei Gott, der Mann war zehn Jahre jünger als er!
Ran biss die Zähne zusammen und verlangte sein Fernglas.
Domingo knallte es ihm in seine ausgestreckte Handfläche, und zwar so hart, dass er ihn daraufhin zornig anstarrte.
»Das war die einzige Möglichkeit, damit Ihr wahrnehmt, dass ich es dorthin gelegt habe«, rechtfertigte sich der Erste Maat, nicht das kleinste bisschen entschuldigend; dann senkte er seine Stimme. »Ich hätte nicht geglaubt, dass ich den Tag erleben würde, an dem Ihr für dieses verdammte Gelübde ein Menschenleben aufs Spiel setzt«, fauchte Domingo, und Rans vernichtender Blick nagelte seinen Ersten Offizier fest. »Madre de Dios, erst nehmt Ihr sie dem Kolonisten weg, angeblich zu ihrer Sicherheit, und nun übergebt Ihr sie Ryder!«
»Bei Nickolas ist sie sicher.«
»Er ist ein Schwerenöter allererster Güte, und das wisst Ihr!« Domingo ballte wütend und enttäuscht seine Fäuste zusammen. Aurora war Rans letzte Chance auf Glück, der einzige Mensch, dem es je gelungen war, durch sein kühles Äußeres zu stoßen, und Domingo wollte nicht mit ansehen, wie sein Freund einst als einsamer, verbitterter Mann sterben würde. »Ryder wird durch nichts davon abzuhalten sein, sich bei einer solchen Herausforderung in seinem Bett zu übertreffen.«
Ran weigerte sich, dies zu kommentieren, denn heiße Bilder von Auroras Liebe verspotteten ihn. Würde sie Ryders Manneskraft erliegen und dem Mann aus Carolina ihre feurigen Küsse schenken? Würde er sich durch ihre ungekünstelte Art bezaubern lassen und sich wie Ran schwach fühlen, ohne jegliche Willenskraft, ihr zu widerstehen? Rans Gesichtszüge verschärften sich. Ryder konnte keiner Frau widerstehen, dieser hedonistische Angeber.
»Dios, was seid Ihr doch für ein kalter Bastard«, murmelte Domingo, als er keine Antwort erhielt. »Und wenn Ihr auch nicht den Anstand besitzt, Euch von der Frau zu verabschieden, ich werde es jedenfalls tun.« Er ließ Ran einfach stehen, um zur Reling hinunterzugehen.
Ran ergriff das Fernglas und suchte den Horizont ab, wobei er krampfhaft versuchte, einen weiteren Blick auf Aurora
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