Heisser Draht nach Paradiso
wir vorgehen werden — dazu
fällt uns noch was ein.“
Die Bahn fuhr abwärts, und die
Hitze nahm zu.
„Mir will eins nicht aus dem Kopf“,
sagte Gaby.
„Nämlich?“
„Warum war die Baronin so
aufgebracht?“
Tim schnalzte. „Pfote, wie
recht du hast.“
„Erstens“, Gaby hielt ihren
schlanken Daumen hoch, „Emely und Florentine taten zuerst sehr freundlich
miteinander. Zweitens“, der Zeigefinger folgte, „Florentine teilte mit wilden
Gesten eine Neuigkeit mit. Drittens“, sie nahm den anderen Daumen, „die Baronin
explodiert.“
„Doch nicht etwa“, schaltete
Karl sich ein, „weil sie erfährt, daß den Dieben der Schmuck gestohlen wurde,
den Dieben Paccalone und Komplizen.“
An dem Brocken schluckten sie
erst mal zu viert.
„Ich zitiere (etwas
wortwörtlich wiederholen )“, sagte Karl und lieferte einen Beweis seines
Computer-Gedächtnisses: „Das glaube ich nicht! — hat die Plätschl geschrien —
Ihr Halunken! Ist doch ein Trick! Ihr wollt uns verarschen! Ich akzeptiere das
nicht! — Das alles, meine ich, heißt sinngemäß: Ihr wollt uns betrügen, nämlich
den Schmuck nicht hergeben.“
„Das würde ja bedeuten“, rief
Klößchen, „die Plätschls waren einverstanden. Sind sogar die Auftraggeber. Aber
warum? Weshalb läßt sich jemand beklauen?“
„Versicherungsbetrug“, sagte
Tim. „Plätschl hat ja gesagt, über eine Million müsse die Versicherung ihm
zahlen — wenn der Schmuck nicht gefunden werde. Diese Million braucht er offenbar,
weil er seinen ganzen Zaster verspielt hat. Als Zocker dort hinten in Campione,
wo die Spielbank ist. Das wissen wir von Klümpli. Und so fügt sich alles
zusammen. Von wegen, Narbengesicht hätte sich bei Plätschl als Gärtner
angedient, als wir zufällig dazu kamen! Nix da! Die beiden haben den Coup
besprochen — und der wäre wunderbar gelungen, wenn nicht Gaby das Portemonnaie
gefunden hätte und am Tatort angetanzt wäre zur falschen Zeit.“
„Schicksalhaft!“ befand seine
Freundin und schickte einen Blick durch lange Wimpern zum Himmel.
Die Bahn hielt. Talstation.
Die Tandems lehnten unberührt
an der Palme.
Tim und Karl machten die
Kabelschlösser los.
„Einfach Klasse!“ Der
TKKG-Häuptling klatschte die Faust in die Handfläche. „Wie wir jetzt den
Durchblick haben. Neflet, Blunschli und Fregger sind für heute abend
reserviert. Das Paccalone-Quintett ist uns sicher. Und jetzt bringen wir das
Paket zur Baronin. Außerdem rufen wir im ,Oasis’ an und bestellen für halb neun
einen Vierer-Tisch.“
„Soll meine Mutter zu Hause
bleiben?“ fragte Klößchen. „Und wenn’s zum Tumult kommt? Willst du sie
gefährden?“
„Gut. Aber was sagen wir ihr?“
„Kino. Das erklärt auch,
weshalb wir uns piccobello Hemden anziehen. Und lange Hosen, natürlich. Du,
Pfote, im Kleid.“
„Ich weiß schon“, sagte sie,
„wie ich mich trefflich bedecke.“
23. Ein Taifun von Schlägen
Sie stellten die Tandems vors
Sauerlich’sche Ferienhaus.
„Mama!“ rief Klößchen. „Wir
sind da.“
Niemand öffnete.
Sie gingen zur Terrasse.
Die Tür stand weit offen.
Auf der Schwelle lag ein
umgekippter Stuhl.
Tim blickte in den Raum und
traute seinen Augen nicht.
„Was ist denn das?“ flüsterte
Gaby entsetzt.
Als wäre ein Hurrikan durchs
Haus gerast — so sah alles aus.
Jedes Behältnis war aufgerissen
und durchwühlt worden. Verstreut lag der Inhalt herum.
„Einbrecher!“ zischte Tim und
rannte los. „Frau Sauerlich!“ rief er. „Wo sind Sie?“
Er rechnete nicht damit, daß
die Eindringlinge noch da waren, blieb aber auf alles gefaßt.
„Hier bin ich!“ Kaum hörbar
drang Ernas Stimme aus dem Keller herauf. „Im Weinkeller.“
Sie stürmten hinunter. Die
Gittertür. Der Schlüssel fehlte. Tim entdeckte ein Stemmeisen und wuchtete die
Tür auf.
Den Schlüssel, der oben auf dem
Tisch lag, fanden sie erst später.
Klößchens Mutter war blaß, aber
unversehrt.
„Räuber“, berichtete sie.
„Drei. Und maskiert. Pistolen hatten sie auch. Und wißt ihr, was sie wollten?
Euch haben sie gesucht. Ja, euch. Ihr hättet sie überfallen — nachts im
Schlafabteil. Betäubt hättet ihr sie. Und dann beraubt. Ihr ganzes Vermögen
hättet ihr entwendet. Das wollen sie jetzt mit Gewalt zurückhaben.“
Trotz des erdbebenhaften
Durcheinanders im Haus — Tim konnte nicht anders: Er begann lauthals zu lachen.
*
Es wurde ein schwieriges
Unterfangen, Klößchens Mutter zu beruhigen, sie
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