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Heißer Schlaf

Heißer Schlaf

Titel: Heißer Schlaf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Orson Scott Card
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»Was nun?«
    Aber sie sahen ihn nur wortlos an, und nach der Aufregung der Flucht stellte sich bei ihm jetzt Verzweiflung ein. Sie hatten ihn tatsächlich gefangen und konnten jetzt mit ihm machen, was sie wollten. Ging es um die Schule und einen Prozeß wegen Telepathie? Oder um Radamand und den Tod, damit ein aufstrebender Politiker gerettet wurde?
    Jas war eine Weile ratlos, aber dann fiel ihm ein, daß er auf die Beantwortung seiner Fragen gar nicht zu warten brauchte. Er schaute hinter ihre Augen und …
    In diesem Augenblick trat ein dicker kleiner Mann in einem dreißig Jahre alten Anzug, der noch ganz neu aussah, auf die Gruppe zu.
    »Ich wundere mich, daß Sie ihn nicht gleich an allen vieren gebunden haben«, sagte der Mann. »Mit einem Schweinestrick.«
    Jas überlegte krampfhaft, was dieses archaische Wort bedeuten mochte, aber Schweinestrick war in seiner Erinnerung nicht registriert.
    »Lassen Sie ihn los«, sagte der Mann. »Und verbinden Sie ihm die Hand. Er blutet.«
    »Wenn wir ihn loslassen«, sagte einer von Mamis Kleinen Jungs, »fangen wir ihn vielleicht nie wieder ein.«
    Der dicke Mann drängte sich in den Kreis und sah Jas freundlich an. Er war so klein, daß selbst Jas ein wenig von oben auf ihn herabsah. Jemand wickelte ihm etwas um die verletzte Hand. »Dale Carnegie dreht sich bei ihren Methoden im Grabe um«, sagte der Mann. Diesmal verstand Jas die Anspielung. Er lächelte und zitierte: »Mit einem Tropfen Honig fängt man mehr Fliegen als mit einer Gallone Gallensaft.«
    »In Wirklichkeit«, unterbrach ihn der dicke Mann, »hat Carnegie das selbst nur zitiert. Merkwürdig, daß du Carnegie kennst, nicht aber Äsop.« Er wandte sich wieder an Mamis Kleine Jungs. »Er befindet sich jetzt in meinem Gewahrsam.«
    Die Polizisten tauschten unruhige Blicke. Der Mann zog eine kleine Karte aus der Tasche und zeigte sie ihnen. Sie nickten unterwürfig und verschwanden.
    Der Mann wandte sich wieder an Jas. »Du hast doch einen Namen«, sagte er.
    »Jas Worthing.«
    »Jason Harper Worthing, ein höchst bemerkenswerter junger Mann. Jason Harper Worthing, komm nur nicht auf die Idee, mir wegzulaufen. Während Mamis Kleine Jungs auf brutale Gewalt vertrauen, verlasse ich mich lieber auf die Technologie.« Er ließ die entsicherte Waffe in seiner Hand aufblitzen.
    »Wer sind Sie?« fragte Jas.
    »Eine Frage, die ich seit meiner Jugend zu beantworten versuche. Gehen wir?« Sie gingen. »Ich stellte fest, daß ich weder Gott noch Napoleon war. Das enttäuschte mich so sehr, daß ich es nicht weiter einzuengen versuchte.«
    Der dicke Mann ging mit Jas zu der nur für Regierungsbeamte bestimmten Tür der Station, und sie fuhren mit dem Fahrstuhl nach unten zu den privaten Transportern. Sie bestiegen ein besonders schäbiges Exemplar, das noch dazu lächerlich veraltet war.
    »Ich bin altmodisch« sagte der Mann. »Wie du sammle ich alte Dinge. Mit dem Unterschied, daß du, weil du arm bist, nur Ideen sammeln kannst. Ich, der ich reich bin, sammle Dinge. Dinge sind viel teurer als Ideen.«
    Der Mann lachte leise vor sich hin, und als sich das Fahrzeug in Bewegung setzte und auf seiner Magnetspur entlangglitt, legte er Jas freundlich die Hand auf das Knie. Eine gute, kräftige Hand, wenn sie auch klein war, und diese gutgemeinte Geste reichte aus, Jas völlig aus der Fassung zu bringen. Die Anspannung vorher war zu groß gewesen – ihre Auflösung zu plötzlich. Jas fing an zu zittern, und sein Atem ging hastig und keuchend und hörte sich an wie Schluchzen.
    »Bitte versuch, jede Hysterie zu vermeiden«, sagte der Mann und setzte die lockere Unterhaltung fort. »Ich sammle auch neue Dinge, aber neue Dinge sind schwer zu beurteilen. Man weiß nie, ob sie Bestand haben werden. Man weiß nie, ob sie an Wert gewinnen oder verlieren. Neue Dinge sind eine riskante Investition. Wir sind da.«
    Das Fahrzeug hielt. Sie waren nicht weit gefahren. Der Mann führte Jas zu einer Tür, sie bestiegen einen Fahrstuhl und fuhren nach oben. Es dauerte lange. Als sie die Decke direkt über ihren Köpfen sahen, traten sie auf einen nackten Holzfußboden hinaus.
    Holz. Jas merkte, daß es sich nicht wie Holz anfühlte und sagte das auch.
    »Ah, deine Neugier funktioniert wieder. Gut. Es fühlt sich nicht wie Holz an, weil du in deinem Leben noch kein Holz berührt hast. Du kennst nur Plastik. Dies, Jason Worthing, ist Holz. Von Bäumen. Ich brauche dir nicht zu sagen, daß du es für den Kredit, den man dir einräumt, nicht

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