Heißer Schlaf
strahlende Scheibe, keine Millionen von Kilometern entfernte Kugel.
Als sie aufhörten zu schwimmen, war die Sonne fast verschwunden, obwohl es nur eine Stunde gedauert hatte. Der Mann und der Junge lagen zum Trocknen im Gras. Der Himmel wurde dunkel und rötete sich im »Westen«. Die Sonne ging unter.
»Ich habe noch nie einen Sonnenuntergang gesehen«, sagte Jas. »Sieht er auch in Wirklichkeit so aus?«
»Ja. Wenigstens auf der Welt, der dieser Park nachgebildet ist«, antwortete Doon. »An der Oberfläche dieses Planeten ist er ganz anders. Der Himmel um Capitol ist absolut schmierig vom Dreck unseres Planeten. Wenn ich ihn nur betrachte, möchte ich am liebsten sofort ein Bad nehmen. Der Sonnenuntergang zeigt ein dunkles Purpur. Mittags ist der Himmel rosa. Einen blauen Himmel gibt es nicht.«
»Garden«, sagte Jas.
»Du hast recht«, antwortete Doon leise. »Der perfekteste Ort im ganzen Universum. Bis jetzt wenigstens. Ich war ein Narr, daß ich von Garden fortging. Aber ich hatte Visionen, einmal Größe und Bedeutung zu erlangen. Größe erstrebt man nicht in schöner Umgebung. Wo alles unveränderlich schön ist, gibt es nur Frieden. Größe wird nur in häßlicher Umgebung erreicht. Und darum schien Capitol der für meine Zwecke geeignetste Planet zu sein.«
»Ist es hier denn häßlich?«
Doon lachte. »Oje! Ojemine! Allein der Gedanke, daß ein menschliches Wesen eine solche Frage stellen kann. Aber du bist ja eigentlich kein normales menschliches Wesen, nicht wahr?«
»Zählen Sie doch meine Arme und Beine«, sagte Jas. »Ich habe sogar die richtige Anzahl Köpfe.«
»Der Unterschied ist aber, daß du gelegentlich deinen eigenen Kopf verlassen und in meinem herumspazieren kannst«, sagte Doon. »Telepathie ist etwas Seltsames. Sie ist eine solche Macht, daß vor Zeiten fast alle Kommandanten der Flotte des Reiches und auch die Kommandanten unserer illustren Feinde Telepathen waren. Unmittelbare Kommunikation. Man brauchte keine Spione. Schlimm genug, daß die Telepathen ihre Fähigkeiten nicht an andere weitergeben konnten. Aber diese Veränderung der winzigen X-Chromosomen kann nun einmal nicht weitergegeben werden. Sie wird nur von der Mutter auf die Kinder vererbt und taucht nur bei Knaben auf, deren trauriges kleines Y nicht die Dominante hat, die Telepathiekomponente auszuschalten.«
Jas riß ein Grasbüschel heraus und streute es sich auf Brust und Bauch. Es kitzelte, und er wischte es weg.
»Aber ich habe dieses Chromosom nicht. Auch meine Mutter hatte es nicht.«
»Unbestreitbar. Du hast recht. Klinisch bist du kein Telepath. Bravo. Das Schlimme ist nur, daß Bluttests erst gemacht werden, nachdem der Pöbel vermeintliche Telepathen in kleine Stücke gerissen hat.«
»Kann das Gesetz mich nicht schützen?«
»Wenn das Gesetz von dir wüßte, mein kleiner brillanter und naiver Freund, würde das Gesetz ganz gewiß so zurechtgedreht werden, daß es auch dich einschließt. Nein, Jas. Deine Sicherheit liegt nur darin, daß du Teil meiner Sammlung bist. Wenn du sie verlassen solltest – nun, dann könnte ich deine Verfolger einfach nicht aufhalten.«
Ein leichter Wind ging in der sternenhellen Dunkelheit über sie hinweg.
»Kalt? Oder hast du nur Angst?«
»Kalt«, sagte Jas.
»Eigentlich ist die Temperatur ganz angenehm. Du brauchst keine Angst zu haben, Jas.«
»Ich kann nichts dafür«, sagte Jas und klapperte mit den Zähnen.
»Dein ganzes Leben lang hast du unter der Kontrolle anderer Leute gestanden. Der deiner Mutter, der Schule, der Polizei. Jetzt plötzlich beherrschen nicht mehr sie dich, jetzt tut es nur noch ein einzelner Mann. Ich. Und das macht dir Angst.«
»Ich weiß nicht, was Sie mit mir vorhaben.«
»Warum schaust du nicht einfach in meine Gedanken und stellst es fest?«
Jas wußte selbst nicht, warum er es nicht tat. Aber er tat es nicht. »Nein.«
»Tu’s doch. Mach einen Test. Stell es fest.«
Jas schüttelte den Kopf. »Ich will nicht.«
»Warum nicht? Ich bitte dich darum. Oder schaust du den Leuten nur dann in die Gedanken, wenn sie es nicht wissen?«
Die Kälte, die Jas empfand, ließ ihn jetzt zittern. »Ich will nicht hineinschauen.«
Abner Doon seufzte. »Meine Gedanken sind ohnehin nicht so schön, daß man sie besuchen sollte. Nun ja.«
Er stand auf und zog sich an. Jas lag noch im Gras. Er hatte sich nur auf die Seite gerollt. Sein Rücken wurde kalt, als die Luft darüber hinwegstrich. Warum lese ich nicht in seinen Gedanken? Ich habe
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