Heißer Zauber einer Nacht
Vikar. Wenn der rechtschaffene Mann nicht so schockiert über die Vorstellung gewesen wäre, dass Georgie und Kit nach Mrs Tafts verfrühtem Tod in ihrem Häuschen blieben und wenn er keinen Brief an ihren Onkel geschrieben hätte, wäre sie nicht in dieser Lage.
Wenn der Vikar die Wahrheit über Mrs Tafts Vergangenheit gekannt hätte, dann hätte er und seine Frau die Dame vermutlich überhaupt nicht besucht und sie bestimmt nicht für eines der besten Gemeindemitglieder gehalten.
Verflixt, wenn sich Männer einmischen!, dachte Georgie und ging nervös vor der Esszimmertür auf und ab. Sie bestimmten einfach über das Leben von Frauen, ohne sie zu fragen.
Nun, sie würde sich das nicht gefallen lassen, und schon gar nicht das, was in diesem Brief stand. Einen Mann heiraten, der viermal so alt war wie sie! Einen Mann, der in dem Ruf stand, das verkommenste Subjekt von ganz England zu sein!
Zu Georgies Glück hatte ihr Lady Finch, eine alte Freundin der Familie, die wilden Gerüchte über ihre bevorstehende Verlobung mit Lord Harris in einem Brief mitgeteilt. Wie Georgie Onkel Phineas kannte, hätte er sie erst über ihre Hochzeit informiert, wenn sie gerade noch genügend Zeit gehabt hätte, um sich für die Trauung anzukleiden. Besonders, um ihr verschweigen zu können, dass ihr Zukünftiger bereits neun Frauen zu Grabe getragen hatte.
Georgie hatte nicht vor, die zehnte zu werden! Selbst der schreckliche, alte Säufer Heinrich der Achte hatte so viel Verstand gehabt, nach sechs Frauen zu sterben.
Sie straffte ihre Schultern und betrat das Esszimmer, ohne anzuklopfen. Besser, sich in die Höhle des Löwen zu wagen, als zu verzagen, hatte Mrs Taft stets gesagt. Und sie hatte hinzugefügt: »Überraschung und List sind im Repertoire jeder Frau lebenswichtig im Kampf gegen die tödlichsten aller Bestien - Männer.«
Und »Bestie« war eine perfekte Bezeichnung für Onkel Phineas.
»Onkel, ich muss mit dir sprechen«, sagte Georgie. Er verschluckte sich bei dieser Störung fast an seiner Suppe.
»Was, zum Teufel, willst du?«, fragte Phineas Escott, Viscount Brockett, als er sich schließlich gefasst hatte.
Georgie ließ sich nicht einschüchtern. »Was soll diese Nachricht, dass ich verheiratet werde?«
Ihr Onkel warf seiner Frau einen ärgerlichen Blick zu.
Lady Brockett schüttelte so heftig den Kopf, dass ihre Locken hin und her flogen. »Ich habe dem Mädchen nichts gesagt, Phineas. Kein Sterbenswörtchen.«
»Tante Verena hat nichts damit zu tun, Onkel.« Georgie mochte ihre zu selbstsüchtige Tante nicht sonderlich, doch die Frau sollte nicht ihretwegen unter dem Zorn ihres Mannes leiden. »Ich habe diesen Brief vor einer Stunde von Lady Finch erhalten. Sie schreibt, sie habe aus guter Quelle erfahren, dass ich verheiratet werde.«
»Wie ist der Brief in deine Hände gekommen?«, fragte Onkel Phineas und blickte wieder seine Frau an. »Ich hatte befohlen, dass ihre Briefe ...« Er verstummte abrupt, statt zuzugeben, dass er Georgies private Korrespondenz abfing. »Eine Diebin, nichts anderes ist meine Nichte. Eine verdammte Diebin wohnt unter meinem Dach!«
»Onkel, ich weiß es jedenfalls von Lady Finch«, sagte Georgie. Sie wollte nicht zugeben, wie der Brief in ihre
Hände gelangt war. »Ich will eine Antwort hören. Werde ich verheiratet?«
Lord Brockett schnaubte vor Wut, dann wischte er sich übers Kinn und sagte ungeduldig: »Ja. Und ich dulde keine Widerrede in dieser Sache. Die Papiere sind heute Nachmittag unterzeichnet worden. Somit bist du verlobt, und es muss nur noch das Aufgebot bestellt werden.«
Georgie zitterte am ganzen Körper vor Zorn. Sie hätte ihrem Onkel am liebsten die Meinung gesagt, wie er sie vermutlich noch nie gehört hatte, aber es höchstwahrscheinlich verdiente. Doch sie klammerte sich an ihren Entschluss und beherrschte sich. »Stimmt Lady Finchs Behauptung, dass mein Zukünftiger Lord Harris sein soll?«
Abermals schoss Onkel Phineas' Blick vorwurfsvoll zu seiner Frau hinüber.
Sie leugnete. »Ich habe keinem ein Wort gesagt, das schwöre ich!«
Er wirkte alles andere als überzeugt, als er an seinem Wein nippte und dann wieder seinen unerbittlichen Blick auf Georgie richtete. »Du solltest dich glücklich preisen«, sagte er. »Du wirst eine Gräfin sein. Das ist weit mehr als das, was deinesgleichen verdient, wenn du mich fragst.«
»Es ist mir gleichgültig, ob ich eine Gräfin werde, wenn es bedeutet, dass ich einen Mistkerl heiraten muss, der so alt
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