Heißes Blut: Anthologie (German Edition)
bisschen länger, das Schloss zu knacken und den Jaguar aus dem Raum in Richtung Eingang zu dirigieren. Dabei nutzte sie die geistige Verbindung, die sie zu der Raubkatze aufgenommen hatte. Sie war drei Schritte hinter der großen Katze, als sie einen seltsam starken Zug nach links verspürte. Zu ihrer Bestürzung befand sich dort noch eine weitere Tür.
Es war eine dicke, schalldichte Eisentür, die mit mehreren Riegeln und Schlössern versehen war. Juliette blickte ein zweites Mal auf die Uhr. Eigentlich müsste sie schon losrennen, um rechtzeitig aus dem Gebäude zu kommen, aber irgendetwas, das sie sich nicht erklären konnte, drängte sie nachzusehen. In der Hoffnung, dass Jasmine wie versprochen das Labor verließ und nach Hause zurückkehrte, machte Juliette sich an der Tür zu schaffen.
Auf dem nackten Zementboden lag Riordan in seinem eigenen Blut und schaute stoisch zu, wie es auf den eingebauten Ablauf zulief. Es sah für ihn wie ein dünnes dunkelgraues Rinnsal aus, das sich zu einer immer größer werdenden Lache sammelte. Es war kaum zu glauben, dass er so in die Falle gegangen war, dass einer seiner Art so gedemütigt und sterbend in den Händen seiner Feinde liegen konnte. Er war ein mächtiger Karpatianer, kein Grünschnabel, sondern ein Mann von Ehre und Geschick. Und doch lag er da wie ein Häufchen Elend, außerstande, die nötige Kraft zu sammeln, um sich zu bewegen. Oder Hilfe von seiner eigenen Spezies herbeizurufen.
Seine Brüder würden ihn mittlerweile suchen und sich fragen, warum sein Geist ihnen verschlossen war. Aber Riordan wagte es nicht, noch jemanden in die Falle hineinzuziehen, in die er selbst gelockt worden war. Er würde nicht der Köder sein, um noch weitere Angehörige seiner Gattung zu fassen. Der Feind hatte einen Weg gefunden, das Blut seines Volkes zu vergiften und Gefangene lange genug ruhigzustellen, um ihnen Blut zu entnehmen und sie geschwächt zu halten. Er hatte geglaubt, erfahren genug zu sein, um das Gift aus seinem Körper ausscheiden zu können. In früheren Zeiten war ihm das auch bei zahlreichen Gelegenheiten gelungen, doch dieses neue Gift hielt ihn hilflos, schwach und wehrlos gegen die unaufhörliche Tortur.
Es gab keinen Weg, dem Prinzen seines Volkes die Nachricht zu übermitteln, keine Möglichkeit, ihn vor dieser neuen, sogar noch tödlicheren Droge zu warnen, die ihre Feinde entwickelt hatten. Riordan stemmte sich mühsam hoch, bis er mit dem Rücken an der Wand lehnte, an der er angekettet war, und untersuchte die chemischen Verbindungen, die durch seinen Organismus rasten. Der Feind musste irgendeine elektrische Aufladung benutzt haben, um den Zellverfall in seinem Blut zu beschleunigen. Mit einem scharfen Zischen, in dem ein tödliches Versprechen, aber auch grenzenlose Verzweiflung lag, stieß Riordan langsam den Atem aus.
Er würde nicht so ohne Weiteres sterben, da sein Körper sich beständig regenerieren würde, doch ohne das nötige Blut, ohne die heilende Erde, würde es schließlich doch geschehen, langsam und sehr qualvoll. Niemals hätte er gedacht, dass er einen solchen Tod erleiden würde.
Die Droge kroch durch seinen Körper, ein chemisches Monster, das fast so tödlich war wie der dunkle Dämon, der tief in seinem Innern lauerte. Bevor er starb, wollte er seinen Brüdern jedoch so viel Information wie möglich über den giftigen Wirkstoff übermitteln. Er würde eine Warnung herausgeben, jedoch erst unmittelbar vor seinem Tod. Er würde seine Angehörigen nicht verraten oder sich als Köder benutzen lassen, um die anderen in die gleiche Falle zu locken. Sein Prinz musste wissen, dass ein Meistervampir die Menschen benutzte wie Marionetten und den Strippenzieher spielte. Riordan musste einen Weg finden zu entkommen, eine andere Möglichkeit gab es nicht. Er durfte nicht sterben, bevor er seinem Volk die lebenswichtige Information über diesen Verrat übermittelt hatte … oder bevor Schmerz und Verzweiflung, seine allgegenwärtigen Begleiter, seine Entschlossenheit ins Wanken brachten.
Riordan schloss die Augen und zog sich tief in seinen Geist zurück. Fast unmittelbar darauf hörte er das leise Klicken des Schlosses an der schweren Metalltür. Seine Peiniger, die seine enorme Macht fürchteten, kamen nie bei Nacht zu ihm. Vorsichtig rührte er an den Geist des Menschen, der das Labor betrat, stellte aber zu seiner Überraschung fest, dass er die Gedanken des Eindringlings nicht lesen konnte. Er hatte allerdings den Eindruck, dass
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