Heißes Eisen
ins Zimmer des Toten Mannes. »Garrett behauptet, was da letzte Nacht bei mir passiert ist, wäre eine schlimme Sache.«
Etwa zwanzig Minuten lang kam ich mir wie ein Waisenkind vor, als der Tote Mann und Morpheus einen schweigenden Dialog führten. »Fünf?« fragte Morpheus schließlich. »Dann halten sie aber gut dicht. Ich habe erst von einer gehört, letzten Monat, unten an den Landungsbrücken.«
Mein Stichwort. »Das war das dritte Opfer. Der Verrückte geht nach einem genauen Zeitplan vor, in dem die Abstände zwischen den Morden immer enger werden. Nach der ersten Frau hat er sechs Wochen gewartet. Dann vier Wochen bis zu der von den Landungsbrücken. Dann wieder drei Wochen, und die letzte hat man gut zwei Wochen später gefunden.«
»Es sei denn, da wäre noch eine, von der wir nichts wissen.«
»Sie dürften wohl schwerlich zu übersehen sein, wenn man ihnen die Kehlen durchgeschnitten und sie ausgeweidet hat. Außerdem weiß die Wache nichts von weiteren vermißten Töchtern aus der Oberstadt.«
»Der Kerl, der dafür verantwortlich ist, muß seine Hausaufgaben gründlich gemacht haben. Er steht nicht einfach an der Ecke und wartet auf irgendein reiches Mädchen. Er sucht sich sein Opfer aus und arbeitet an mehreren gleichzeitig.«
»Wie kommst du darauf?«
»Kains Tochter hat er vermasselt, aber er hat trotzdem eine andere Frau erwischt, um sie rechtzeitig am nächsten Morgen aufzuhängen.«
Wahnsinnig heißt nicht dumm, sagte meine Mama immer. Den Beweis dafür habe ich oft genug gesehen. Derjenige, der das hier anrichtete, mußte es sehr sorgfältig geplant haben. Und ihm war klar, daß sein Freizeitvergnügen eine Menge Staub aufwirbeln würde. Er war wirklich sehr vorsichtig.
»Morpheus, gestern abend hat der Kerl einen dummen Fehler begangen. Vielleicht sogar einen doppelt dummen Fehler. Er hat den Mord vor einem Zeugen begangen. Und er hat Kains Tochter belästigt. Es wäre weniger gefährlich gewesen, die Schwester des Königs zu schlachten.«
»Erinnerst du dich daran, wie verängstigt sie war, als sie reinkam? Ich glaube, jemand hatte die Sache schon einmal vermasselt und versuchte jetzt nur noch verzweifelt, seine Spuren zu beseitigen. So weit zu gehen, Kains Tochter anzugreifen ... Du solltest dich in diesen Kerl hineinversetzen. Ich kann das nicht. Versuch zu denken wie er. Er ist ein Genie, und das weiß er auch. Er ist vollkommen verdreht und spielt seine psychotischen Spielchen vermutlich seit seiner Kindheit. Und bis jetzt ist er ungestraft davongekommen. Vielleicht betrachtet er uns andere ja gar nicht mehr als real. Vielleicht sind wir nur noch Dinge für ihn, oder Käfer und Ratten, mit denen er vermutlich angefangen hat. Vielleicht glaubt er auch, daß es keine Rückschläge geben kann, solange er nur vorsichtig ist. In seinem Verstand ist Kain vielleicht genauso bedrohlich für ihn wie Dean.«
Ich verstand, was Morpheus meinte, wußte aber nicht genau, ob seine Vorstellungen auch einer genaueren Prüfung standhielten. In TunFaire gibt es Killer in Hülle und Fülle, aber nicht solche wie diesen. Ich kannte durchgedrehte Typen und kaltblütige Killer, aber dieser Kerl hier war ein Bastard, ein Mutant.
»Wir haben nur den gestrigen Abend als Anhaltspunkt«, sagte Morpheus. »Wir müssen mit dem Mädchen reden.«
Ich gab ein unschönes Geräusch von mir.
»Schon klar. Soll heißen, die Gilde geht auf Jagd.«
Ich war überrascht, daß sie nicht schon längst mobilisiert war, und sagte ihm das auch.
»Daraus können wir schließen, daß sie nichts gesagt hat, als sie nach Hause gekommen ist«, stellte Morpheus fest.
»Vielleicht hat sie was gemacht, was ihr Vater nicht besonders schätzt.« Er runzelte die Stirn, als könne er sich so etwas nicht vorstellen.
»Vielleicht hat sie einen heimlichen Freund?«
»Sie ist menschlich.«
Ich ging in mich und hätschelte einen plötzlichen Verdacht. Sie war zu Morpheus gekommen, als sie in der Klemme steckte. Zwar hatte sie sich nicht anmerken lassen, daß sie ihn kannte, aber ... Nein, das würde er nicht wagen. Er ging zwar gern Risiken ein, aber so weit würde er nicht gehen. Oder doch?
Der Tote Mann mischte sich ein. Meine Herren, ich spüre Personen herannahmen, die ich befragen muß. Es wird die ganze Nacht dauern. Garrett, ich schlage vor, du ruhst dich aus bis morgen früh. Bis dahin habe ich vielleicht einige Vorschläge für dich. Offenbar hatte er Morpheus' Gedanken durchforstet und bekommen, was er wollte. Wenn
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