Heißes Eisen
Allerdings war er viel zu jung, um einen Vorteil daraus zu schlagen. Außerdem versuchte er offenbar, sich einen Schnurrbart wachsen zu lassen.
Sah spitze aus. »Ich will zu Morpheus«, sagte ich ihm. »Mein Name ist Garrett. Sag ihm, es geht ums Geschäft und daß eine Menge Zaster drin ist.«
Der Bursche sah mir direkt in die Augen. »Morpheus? Wer zum Teufel soll das sein? Ich kenne keinen Morpheus.«
Wie niedlich. »Junge, ich berücksichtige, daß du neu bist und auch, daß du jung und dumm bist. Ganz eindeutig bist du zudem auch noch ein Klugscheißer. Wenn ich das alles zusammenzähle, komme ich zu dem Schluß, daß ich dich über den Tresen ziehe und so lange durchwalke, bis Morpheus von dem lauten Gebrüll angelockt wird und runterkommt. Also, beweg deinen Arsch zum Sprachrohr.«
Wir hatten nicht viele Zuschauer, aber es reichte, daß der Junge der irrigen Meinung war, er müßte es mir zeigen. Im Handumdrehen hielt er mir ein Rasiermesser unter die Nase. Elfen lieben scharfen Stahl, vor allem die Halbstarken. Er war so berechenbar, daß ich meinen Totschläger schon in Position hatte und ihm auf die Flossen schlug. Er jaulte wie eine Katze, der man auf den Schwanz getreten hat, und das Rasiermesser segelte über den Tresen. Die Zuschauer applaudierten gehorsam. Und ein Berg von einem Mann schob sich aus der Tür zur Küche.
»Garrett? Was machst du da?« Das war Beißer, einer von Morpheus altgedienten Handlangern. Er stammte aus derselben Produktionsreihe wie Paddel.
»Ich wollte zu Morpheus, und der Kleine hier hat ein Messer gezogen.«
Beißer schüttelte traurig den Schädel. »Was wolltest du denn damit erreichen, Poller? Wenn jemand zu Morpheus will, sag ihm Bescheid. Wenn Morpheus Freunde wie den da akzeptiert, ist das seine Sache.«
»Poller?« Was war das denn für ein Name: Poller? Nicht mal ein Zwerg würde sein Kind Poller nennen.
»So nennen wir ihn, Garrett. Eigentlich heißt er Narcisio. Ist Morpheus' Neffe. Der Sohn seiner Schwester. Die konnte ihn nicht mehr bändigen. Morpheus hat ihn hergeholt, um ihm den Kopf zurechtzurücken.«
Währenddessen sprach der Junge mit Morpheus' Büro.
Ich schüttelte den Kopf. Morpheus Ahrm wollte jemanden auf den rechten Weg bringen? Ausgerechnet Morpheus, dessen eigentlicher Beruf es ist, Leuten die Kehle durchzuschneiden, ihre Knochen zu brechen und gelegentlich einen kleinen Betrug oder sogar einen richtigen Raubüberfall durchzuführen, sofern genug dabei herausspringt? Mein alter Kumpel Morpheus?
Beißer zeigte seine Beißerchen. »Ich weiß, was du denkst. Aber du kennst ihn ja.«
Ich kannte Morpheus. Er konnte gleichzeitig mit beinah religiösem Eifer vollkommen gegensätzliche Dinge vertreten. Sein ganzes Leben war ein Geflecht von Widersprüchen, die er mit ganzem Herzen auslebte. Er konnte einem alles andrehen, weil er jedes Wort glaubte, das er aussprach. Deshalb hatte er soviel Erfolg bei den Damen. Auch wenn er eine neue Leidenschaft erst vor fünf Minuten entdeckt hatte, stürzte er sich sofort Hals über Kopf hinein.
Morpheus hatte Poller anscheinend beruhigen können. Der Junge war zwar nicht besonders glücklich, daß er vorgeführt worden war, aber er ließ sich nichts anmerken. »Morpheus kommt gleich. Möchten Sie was trinken, während Sie warten?«
»Hat Paddel noch immer sein Fäßchen hinter dem Tresen versteckt? Wenn ja, zapf mir ein Glas. Er schuldet mir noch ein paar Liter.«
Beißer lachte glucksend. »Warum machst du das Faß nicht einfach leer? Ich würde zu gern sehen, wie Paddel an die Decke geht, wenn er kommt und feststellt, daß jemand an seinem Faß war.«
»Ich tu mein Bestes. Hat er Gesellschaft?« Ich deutete mit dem Daumen nach oben.
»Ja. Sein Glück ist wieder da.«
»Wie schön, daß wenigstens einer Glück hat.«
Beißer gluckste wieder. »Hätt'ste man Maya geheiratet, als sie dir 'nen Antrag gemacht hat. Die war in Ordnung.« Er klopfte Poller auf die Schulter. »Hast du richtig gemacht. Mußt nur nicht so schnell mit dem Messer bei der Hand sein. Das nächste Mal gerätst du vielleicht an jemanden, der nich' so nett is wie Garrett.« Er ging in die Küche, und ich fragte mich, was er da wohl machte. Ich würde ihn niemals auch nur in die Nähe von Nahrungsmitteln lassen. Nicht mal bei dem Pferdefutter, das sie hier bei Morpheus servierten.
Vermutlich brauchte das Ego des Jungen eine kleine Aufmunterung, also entschuldigte ich mich beiläufig für meine Grobheit. Da die anderen Gäste das
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