Heisses Gold im Silbersee - Duell im Morgengrauen - Schüsse aus der Rosenhecke
damals so ungefähr jeder gegen jeden —
aus, wie immer wenn’s um Krieg geht, ziemlich lächerlichen Gründen. Roderich —
der überhaupt nicht sittsam war und sich deshalb selbst den Namen verlieh,
sozusagen als Tarnung — Roderich schlug sich immer auf die Seite des gerade
Stärkeren. Damit fuhr er gut. Und als hauptberuflicher Kurfürst preßte er seine
Untertanen in einer Weise aus — also, kein Finanzamt würde sich das heutzutage
getrauen. Jedenfalls hatte er im Alter von 42 Jahren einen gewaltigen Schatz
beisammen. Nicht in Aktien und Wertpapieren, sondern in Silber und Gold. Schön
geprägte Münzen mit hohem Anteil an Edelmetall waren das. Aber nicht nur...
Auch Kunstgegenstände, Schmuck, Teller und Trinkgefäße gehörten dazu. Alles das
— einschließlich der Kriegskasse — war in sieben schwere Kisten verpackt. Den
Wert schätzt man nach heutigen Maßstäben auf fünf Millionen D-Mark.“
„Woher weiß
man so genau über Roderichs Vermögen Bescheid?“ fragte Tim.
„Dessen
Schatzmeister war gleichzeitig Chronist ( Verfasser einer Aufzeichnung über
geschichtliche Vorgänge ). Peinlichst genau hat Jakob von Grummelshofen — so
hieß er — alles notiert. Und er hat, nachdem er sich schwimmend an Land retten
konnte, auch das Roderich-Dokument verfaßt. Auf der Vorderseite ist ein genauer
Lageplan aufgemalt. Auf der Rückseite ist geschildert, wie es zu dem Unglück
kam. Abgespielt hat sich das alles im Jahre 1638 — als die Schweden bis Prag
vorstießen und der französische König Ludwig XIV. starb, nebenbei gesagt.“
„Ph!“
meinte Klößchen. „Ich dachte, die Ferien brechen an. Und du machst auf
Geschichtslehrer.“
„Irrtum!“
grinste Karl. „Ich mache auf Schatzsucher.“ Tim, dessen Ahnung sich in diese
Richtung bewegt hatte, begriff sofort.
„Den
Sieben-Kisten-Schatz gibt’s noch, Karl?“
„Erraten.“
„Du weißt,
wo?“
„Noch
nicht. Aber ich weiß, wo es steht, wo sich der Schatz befindet, wo wir also
suchen müssen.“
Das war
eine Mitteilung!
Tims Waden
begannen zu zucken.
Gaby blies
abermals gegen ihren Goldpony, unter dem die Blauaugen strahlten.
Klößchen
hörte auf zu kauen.
„Die
deutsche Geschichte ist nun mal windungsreich“, entschuldigte sich Karl, „ich
muß reihenfolgerichtig erzählen, damit ihr’s begreift. Denn 1638 befand sich
Roderich hier in unserer Stadt, die damals freilich um etliche hunderttausend
Köpfe kleiner war. Roderich befand sich also — samt Gefolge und Schatz —
innerhalb städtischer Mauern. Weil er nie gute Gehälter zahlte, hatte er keine
Spitzentypen in seiner Spionageabwehr und Feindaufklärung, sondern nur Penner.
Deshalb erfuhr er erst in letzter Sekunde, daß der böse Feind nicht nur
heranrückte, sondern schon in Sichtweite war. Hals über Kopf mußte er fliehen.
Mit einer Handvoll Getreuer — gerade genug, um die sieben Schatzkisten zu
schleppen. Und natürlich mit Jakob von Grummelshofen, dem Hof- und
Kriegsberichterstatter. Muß ein heller Typ gewesen sein. Lebte er heute, wäre
er sicherlich Reporter beim Stern oder beim Spiegel .“
„Und? Wie
weiter?“ Jetzt war sogar Klößchen gespannt. „Die sind also drauf auf den Lkw
und...“
„Lkw?“ Karl
verdrehte die Augen. „Damals wurde geritten oder kutschiert. Doch in jener
denkwürdigen Stunde ging das nicht. Die Stadt war umzingelt. Der Feind
kontrollierte Straßen und Wege. Die Verbindungen in die Ferne waren
abgeschnitten. Nur noch eine Richtung stand offen:hinunter zum Fluß. Um nicht
entdeckt zu werden, mußten Roderich und Co. auf Pferde und Kutschen verzichten.
Aber sie sind gerannt, daß die Socken qualmten. Denn das Flußufer bedeutete
Rettung. Dort lagen einige Kähne. Nichts Tolles, keine Luxusliner ( Luxusschiff ),
sondern stinkige Fischerboote. Aber in der Not schreckt selbst ein Kurfürst
davor nicht zurück.“
Karl
blickte zur Tür.
Ein
Mitschüler, der was vergessen hatte, kam herein.
Unter der
Bank holte er seinen Walkman ( Kassettenrecorder mit Kopfhörern ) hervor
und schob wieder ab.
„Sie nahmen
den größten Kahn“, berichtete Karl — als wäre er dabei gewesen, „verluden die
Schatzkisten, legten ab, trieben flußabwärts. Aber sie hatten keinen Fischer
dabei, sondern das Boot einfach geklaut. In der Eile hatten sie die Ruder
vergessen. Der Fluß führte Hochwasser. Er schäumte und gurgelte. Wochenlanger
Regen war vorausgegangen. Dem Feind waren Roderich und Co. zunächstmal
entkommen. Aber sie bemerkten bald,
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