Heiter weiter
Jahrzehnt für Jahrzehnt weniger. Bis von den ab 1965 geborenen Frauen fast ein Drittel kinderlos sein wird. Was bedeutet, dass diese Frauen ihre fehlenden familiären Beziehungen gezielt durch Freundschaften kompensieren werden müssen (siehe auch das Kapitel zu Freunden ).
Was können Väter und Mütter in den Jahren mit mehr Zeit denn Besonderes tun, um vielleicht die Beziehungen zu ihren Kindern neu zu positionieren, zu verbessern, zu intensivieren? Mir hat immer geholfen, dass meine Eltern mit mir und unter sich vereinbart hatten: Jeden Sonntag wird telefoniert. Egal, wo wer gerade ist. Das kann ein kurzes Gespräch sein oder ein längeres, wenn Tochter oder Sohn und Eltern gerade Zeit und Lust dazu haben. Bei mir hinterließ es immer ein warmes Gefühl, die Stimme von Vater und Mutter mal wieder gehört
zu haben. Vielleicht verabredet man sich auch zu einem Kinobesuch in der kommenden Woche, wenn man nicht zu weit voneinander entfernt wohnt. Ein Wochenende gemeinsam beim Wandern oder in einer Stadt mit Konzert und Ausstellungen. Mit so einem losen roten Faden wie dem sonntäglichen Telefonat sind solche Aktivitäten viel leichter zu verwirklichen.
Ganz zu schweigen davon, dass man als Vater oder Mutter auch mehr erfährt, wenn die Abstände der Gespräche und Besuche nicht zu weit auseinanderliegen. Wissenschaftler nennen solche Beziehungen »Intimität auf Abstand«. Etwas, was besonders zwischen Müttern und Töchtern besteht. Wie ja überhaupt die weiblichen Mitglieder einer Familie oft engere Kontakte pflegen. So ergab eine soziologische Untersuchung von Helene Lopata über die Mutter-Tochter-Beziehung eindeutig: »Müttern wird deutlich mehr geholfen, und Töchter helfen etwas mehr als Söhne, sodass die Tochter-Mutter- Linie auch in puncto Hilfe stärker ausgeprägt ist. Darauf erst folgen Sohn-Mutter und Tochter-Vater. Das niedrigste Hilfeniveau findet sich zwischen Söhnen und ihren Vätern.« Jedenfalls ist es ein großes Glück, wenn sich die Beziehung zu den eigenen Kindern auch im dritten Leben aktiv und positiv gestaltet.
Ich möchte aber an dieser Stelle auch nicht verschweigen, dass es auch anders sein kein. Zu jeder Zeit und innerhalb jedes Gesellschaftssystems machen ältere Menschen zwei allgemeine Erfahrungen: Die körperlichen Kräfte schwinden und viele ihrer Altersgenossen sterben. Die gewohnten sozialen Rollen verändern sich, die älteren Menschen fühlen sich »außen vor«, nicht mehr dabei, nicht mehr gefragt. Auch ihr Wissen, ihre Erfahrung will
niemand mehr abfragen. Dabei ist es klar, dass gerade in denjenigen Gesellschaften, in denen die Alten als wertvolle Mitglieder der Gemeinschaft geschätzt werden, die Menschen viel älter werden und vor allem seelisch und körperlich länger gesund bleiben.
Nun – bei uns in Deutschland kann man nicht unbedingt sagen, dass die Alten sehr geschätzt werden. Da muss man schon selbst sehr aktiv sein, sich einbringen, um für andere wertvoll zu bleiben.
Da ist Kreativität gefragt. Lesen, nachdenken, recherchieren, sich austauschen – so kommen Ihnen vielleicht gute Gedanken, die Beziehung zu den Kindern neu zu formen. Zum Beispiel wird ja vieles ausgespart, vor allem Konflikte, unterschiedliche Meinungen zu politischen, wirtschaftlichen, aber auch oft familiären Themen. Man will sich ja auch nicht gegenseitig verletzen und wehtun. Darum lieber Unangenehmes aussparen. Die Probleme beiseiteschieben.
Jeder hat seine eigene kleine Welt und seine eigene unverrückbare Meinung. »Oh mein Gott, der Vater spricht wieder über das Wirtschaftswachstum unter Erhard«, stöhnen die erwachsenen Söhne. Oder die Töchter möchten von ihren Müttern nichts mehr davon hören, wann sie selbst sauber waren, wie schnell sie durchgeschlafen haben und dass man Kinder sich womöglich selbst erfahren lassen soll. – Die sogenannte antiautoritäre Erziehung lässt grüßen. Ich habe damals alle Bücher aus und über Summerhill verschlungen. Ob es den Kindern was gebracht hat – das mögen die entscheiden.
Weil es, zwischen Eltern und Kindern oft so viele Wissenslücken gibt, habe ich meinem Mann in seinem dritten
Leben geraten, doch seine eigene Lebensgeschichte, samt Scheidung und beruflicher Karriere, mit Kuren (und Kurschatten), finanzieller Situation und seiner heutigen Lebenssituation aufzuschreiben. Das
hat die Beziehung zu seinen Söhnen deutlich verbessert. Seitdem scheint mir vieles zwischen den drei Männern gelöster, einfacher. Der Umgang, die
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