Held zum Verlieben
zögerte kurz und fuhr dann fort. „Ich weiß nicht, ob Sie das verstehen können, aber ich habe das eigenartige Gefühl, dass mein Leben, wenn ich die Hintergründe der Entführung je erfahren sollte, niemals wieder, wie früher sein wird.“
Jack legte Victor die Hand auf die Schulter. „Das ist es ja gerade, Mr Shuler. Vielleicht haben Sie das noch nicht erkannt, aber ihr Leben hat sich schon verändert.“
Victor ließ die Schultern hängen. „Was wollen Sie von mir?“
„Dass Sie uns die Wahrheit sagen.“
„Aber das tue ich doch“, entgegnete er vehement.
„Warum habe ich dann ständig das Gefühl, dass es in Ihrer Vergangenheit etwas gibt, was mit diesem … mit diesem Zwischenfall zu tun hat – etwas, wovon vielleicht keiner weiß?“
Shuler wurde zunehmend blasser. Allmählich machte Hanna ihm Angst. Es war ganz so, als könne dieser Mann durch all seine Schutzmauern hindurch auf die schwache verängstigte Kreatur in seinem Innern sehen.
„Ich weiß überhaupt nicht, wovon Sie reden.“
Jack seufzte. „Wie heißt es so schön, jeder ist selbst erwachsen.“ Dann stand er auf. „Ich denke, das war’s fürs Erste. Wade, wenn du Mr Shuler nicht noch weitere Fragen stellen willst, denke ich, dass wir gehen können.“
„Ich habe keine Fragen mehr. Bleiben Sie sitzen, Victor. Wir kennen den Weg.“
„Achten Sie darauf, dass Sie die Tür ins Schloss ziehen“, sagte Victor, die Panik in seiner Stimme war offensichtlich.
Jack blieb stehen und blickte zurück. „Ich habe noch eine Frage, Mr Shuler.“
Victor sah ihn ängstlich an. „Ja?“
„Das hier ist eine Kleinstadt. Sie haben Ihr ganzes Leben hier verbracht. Haben Sie vor Ihrer Entführung auch immer die Türen verschlossen gehalten?“
Victor konnte nur sprachlos den Kopf schütteln.
„Wie ich schon sagte – Ihr Leben hat sich bereits verändert. Was, wenn die Entführer sich irgendwann noch Ihre Frau vorknöpfen? Werden Sie die Augen dann auch noch so krampfhaft verschlossen halten wie jetzt?“
Victor antwortete nicht. Aber als er wieder allein war, brach er in Tränen aus.
Das Haus duftete immer noch nach dem gebratenen Hühnchen, das sie vor mehr als zwei Stunden gegessen hatten. Wade war im Stall und sah nach einer Kuh, die kurz vor dem Kalben stand, und Charlie holte Handtücher aus dem Wäschetrockner. Jack lag im Wohnzimmer auf dem Bauch, während Rachel auf ihm herumkletterte. Sie hatte gerade gebadet, schleppte wie üblich ihre Kuscheldecke mit sich herum und duftete nach Zahnpasta und Puder. Allmählich machten ihre kleinen Ellenbogen und Knie Jack zu schaffen und er stöhnte, als sie auf seinem Rücken herummarschierte und sich dann mit einem Plumps hinsetzte, ganz so, als wäre sein Rücken ein Sattel. Als sie ihm dann mit den Hacken in die Seiten trat, tat er so, als würde er bocken.
Sie kicherte und streckte sich auf seinem Rücken aus. Dann zog sie die Decke über sie beide.
Jack verhielt sich ganz still und lauschte dem Gemurmel der Kleinen. Er wartete geduldig auf ihren nächsten Zug. Aber der blieb aus. Kurz darauf wurde ihm klar, dass sie auf seinem Rücken eingeschlafen war und danach hätte er sich um nichts auf der Welt gerührt. Er fühlte sich reich beschenkt durch ihr absolutes Vertrauen und wünschte, dass ihre Mutter ebenso leicht zu überzeugen sei.
Er hörte die Kleine seufzen und spürte, wie sich ihre kleine Faust in seinem Hemd verkrallte. Jack lächelte still vor sich hin. Er war müde, auf gute Art müde. Bestimmt würde Charlie bald zurück ins Wohnzimmer kommen. Bis dahin musste er halt warten.
Das Geräusch der Klimaanlage war hypnotisierend. Er atmete tief und vorsichtig, um Rachel nicht zu stören und schloss die Augen.
Charlie faltete das letzte Handtuch zusammen, legte es in den Wäscheschrank und machte die Tür zu. Sie sah kurz in Rachels Zimmer und entdeckte, dass der kleine Racker wieder einmal aus dem Bettchen geklettert war. Sie wollte gerade nach ihr rufen, als sie bemerkte, wie still es im Haus war. Sie sah aus dem Fenster. Es war schon dunkel. Rachel hatte Angst vor der Dunkelheit, also war sie bestimmt nicht draußen. Aber dann erinnerte sich Charlie, dass man sich bei Rachel nie so ganz sicher sein konnte. Die Kleine war immer gut für Überraschungen.
Schnell sah Charlie in die verschiedenen Zimmer, wobei sie versuchte, sich selbst zu beruhigen. Höchstwahrscheinlich war der kleine Frechdachs in die Speisekammer gegangen, um sich noch einige Marshmallows zu
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