Held zum Verlieben
Rechenschaft schuldig, und er hatte keineswegs vor, sich im Alkohol zu verlieren. Also hatte er nur eine Chance, und die musste er wahrnehmen, bevor es zu spät war.
Captain Roger Shaws Zufriedenheit darüber, wie elegant er das Problem Jack Hanna gelöst hatte, war nur von kurzer Dauer. Um neun Uhr dreißig am nächsten Morgen rief ihn Dr. Wilson an, um ihm zu sagen, dass Jack nicht zu dem Termin erschienen war.
Verärgert rief Shaw bei Jack an, doch da war nur eine elektronische Ansage, die bekannt machte, dass es unter dieser Nummer keinen Anschluss mehr gab. Was war geschehen? Wo um alles in der Welt war Jack Hanna?
Ende August, Call City, Wyoming
Jack Hanna sah auf die Landkarte, die neben ihm auf dem Beifahrersitz lag. Dann blickte er auf seine Armbanduhr. Es war fast fünf Uhr nachmittags. Vielleicht sollte er nach einer Bleibe für die Nacht Ausschau halten. Er war verspannt und müde vom langen Fahren. Wenn er Glück hatte, würde er endlich einmal wieder traumlos schlafen können.
Als er über den Hügelkamm fuhr, sah er eine Bewegung auf der unter ihm liegenden Weide. Er hielt an und sah genauer hin. Ein kleines Mädchen, höchstens zwei Jahre alt, tapste durch das Gras. Ungefähr einhundert Meter von ihr entfernt lief eine junge Frau mit fliegenden Haaren auf sie zu, den Mund zu einem Schrei geöffnet. Von rechts raste ein riesiger schwarzer Stier auf die Kleine zu.
Ohne nachzudenken, trat Jack aufs Gas und raste mit quietschenden Reifen los, durch den Stacheldrahtzaun hindurch, auf die Weide. Er bemerkte nicht, wie sein Jeep einige Pfosten mitriss, sondern fuhr in absoluter Konzentration auf den langsam schwindenden Zwischenraum zwischen Stier und Kind zu.
Waschtage wie heute mochte die zweijährige Rachel Franklin besonders gerne. Sie liebte es, ihrer Mutter Charlotte dabei behilflich zu sein, die Wäsche aus dem Wäschekorb zu holen und zu sortieren. Und Charlotte – für die meisten nur Charlie – liebte die Kleine mehr als ihr Leben, aber an Tagen wie heute hätte sie es vorgezogen, für ein paar Minuten ohne ihre Tochter zu sein. Charlie hatte die Buntwäsche nun schon zum zweiten Mal aussortiert, und jedes Mal hatte Rachel das rote T-Shirt wieder in die Weißwäsche gesteckt. Charlie war sicher, dass ihr Bruder Wade nicht sehr angetan gewesen wäre, plötzlich rosarot gefärbte Unterwäsche zu haben.
„Rachel, gib mir das rote T-Shirt.“
Die Kleine hob das T-Shirt von dem Haufen auf und übergab es ihrer Mutter mit einem stolzen Lächeln. Sie strahlte so bezaubernd, dass Charlie die Wäsche, die sie im Arm hielt, fallen ließ, um stattdessen ihre kleine Tochter aufzuheben und fest an sich zu drücken. Zärtlich kitzelte sie die zarte Babyhaut hinter Rachels Ohr mit der Nasenspitze.
Rachel schrie lachend auf und warf Charlie die Arme um den Hals. „Meine Mummy“, sagte sie selig und drückte so fest es ihre kleinen Ärmchen zuließen.
Charlie war gerührt. Das Kind war ihr Leben. Es war das einzig Gute, das aus ihrer Liebe zu Pete Tucker, dem Nachbarsohn, entstanden war. Er hatte mit Charlies Gefühlen nur gespielt, und als sie im zweiten Monat schwanger war, hatte er sich vor der Verantwortung gedrückt und sie verlassen. Seine Karriere als Rodeoreiter war ihm wichtiger gewesen. Nur einen Monat vor Rachels Geburt war er von einem Stier getötet worden.
Charlie hatte seinen Tod nur deshalb betrauert, weil Rachel ohne Vater auf die Welt kommen würde. Ihre Liebe zu Pete Tucker war an dem Tag erloschen, als er einfach gegangen war und sie ihrem Schicksal überlassen hatte.
„Will runter“, meldete sich die Kleine.
Charlie seufzte und setzte das Kind ab. Rachel wurde immer unabhängiger. Liebevoll strich Charlie ihr über den reizenden Lockenkopf. „Geh und spiel in deinem Zimmer, Schätzchen. Mummy muss diese Sachen in die Maschine stecken, damit Onkel Wade saubere Wäsche hat.“
„Onkel Wade?“
„Ja, mein Kleines. Das sind Onkel Wades Sachen.“
Rachel tapste zufrieden davon. Abgesehen von ihrer Mutter war Wade Franklin der Mensch, den sie am meisten in ihr Herz geschlossen hatte.
Charlie machte sich wieder an die Arbeit. Es dauerte einige Zeit, bevor ihr auffiel, wie still es im Haus war. Sie machte sich auf die Suche nach ihrer kleinen Tochter, aber sie war nirgendwo im Haus zu finden. Da sah sie, dass die Verandatür geöffnet war. Leicht beunruhigt eilte sie nach draußen.
„Rachel, wo bist du?“
Keine Antwort. Charlotte vergeudete kostbare Minuten, um das Haus
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