Helden des Olymp, Band 3: Das Zeichen der Athene (German Edition)
hinauszuschleichen, würde ihr das gelingen?
Sie fegte das Heu zu Haufen zusammen. Jason reparierte eine zerbrochene Boxentür. Durch das Glasfenster im Boden leuchtete der Ozean unter ihnen – eine grüne Welt aus Licht und Schatten, die nach unten hin kein Ende zu nehmen schien. Piper schaute immer wieder hinunter, voller Angst, dort ein Monstergesicht zu erblicken, oder Wasserkannibalen aus den alten Geschichten ihres Großvaters, aber sie sah nur ab und zu einen Heringsschwarm.
Als sie Jason bei der Arbeit zusah, bewunderte sie die Leichtigkeit, mit der er jede Aufgabe erledigte, ob er nun eine Tür reparierte oder Sättel einölte. Es lag nicht nur an seinen starken Armen und seinen geschickten Händen, obwohl auch die Piper sehr gut gefielen, sondern daran, wie fröhlich und voller Selbstvertrauen er an die Arbeit ging. Er tat, was getan werden musste, ohne sich zu beklagen. Er war guter Laune, obwohl er doch todmüde sein musste, da er in der vergangenen Nacht nicht geschlafen hatte. Piper konnte Reyna wirklich keine Vorwürfe machen, dass sie in ihn verliebt war. Jason war durch und durch ein Römer.
Piper dachte an die Teegesellschaft ihrer Mutter in Charleston. Sie hätte gern gewusst, was die Göttin ein Jahr zuvor Reyna erzählt hatte, und warum Reyna Jason danach anders behandelt hatte. Hatte Aphrodite ihr zu- oder abgeraten, Jason zu mögen?
Piper war sich nicht sicher, wünschte aber, ihre Mom wäre in Charleston nicht aufgetaucht. Normale Mütter waren schon peinlich genug. Aber göttliche Glamourmütter, die deine Freundinnen zum Tee und zum Klatsch über Jungs einluden – die waren einfach tödlich.
Aphrodite hatte sich so um Annabeth und Hazel gekümmert, dass Piper nervös geworden war. Wenn ihre Mom sich für das Liebesleben irgendeines Menschen interessierte, war das normalerweise ein schlechtes Zeichen. Es bedeutete, dass Ärger bevorstand. Oder, wie Aphrodite sagen würde, Irrungen und Wirrungen.
Aber Piper war insgeheim auch verletzt, weil sie ihre Mutter nicht für sich gehabt hatte. Aphrodite hatte sie kaum beachtet. Sie hatte kein Wort über Jason gesagt. Sie hatte sich auch nicht dazu herabgelassen, mehr über ihr Gespräch mit Reyna zu erzählen.
Es war fast so, als ob Aphrodite Piper nicht mehr interessant fände. Piper hatte ihren Freund bekommen. Jetzt musste sie selbst dafür sorgen, dass alles gut lief, und Aphrodite wandte sich neuerem Klatsch zu, so leichthin, wie sie eine alte Nummer einer Illustrierten weggeworfen hätte.
Ihr seid alle so interessante Geschichten, hatte Aphrodite gesagt. Ich meine Mädchen.
Piper hatte das nicht gern gehört, aber ein Teil von ihr hatte gedacht: Schön. Ich will keine Geschichte sein. Ich will ein nettes ruhiges Leben mit einem netten festen Freund.
Wenn sie nur mehr darüber wüsste, wie Beziehungen gut liefen. Sie sollte hier die Expertin sein, schließlich war sie die Hüttenälteste der Aphrodite-Hütte. Dauernd kamen andere Campbewohner zu ihr und wollten einen Rat. Piper hatte sich alle Mühe gegeben, aber wenn es um ihren eigenen Freund ging, dann hatte sie keine Ahnung. Sie versuchte immer wieder, zu raten, überinterpretierte Jasons Miene, seine Stimmungen, seine lockeren Kommentare. Warum musste das alles so schwer sein? Warum konnte es nicht immer einen Und-wenn-sie-nicht-gestorben-sind-dann-leben-sie-noch-heute-Ritt in den Sonnenuntergang geben?
»Woran denkst du?«, fragte Jason.
Piper ging auf, dass sie sauer wirken musste. Ihr Spiegelbild im Bodenfenster sah aus, als ob sie einen Teelöffel Salz verschluckt hätte.
»Nichts«, sagte sie. »Ich meine … an vieles. Irgendwie alles gleichzeitig.«
Jason lachte. Die Narbe an seiner Lippe verschwand fast, wenn er lächelte. Und nach allem, was er durchgemacht hatte, war es ein Wunder, dass er dermaßen gut gelaunt sein konnte.
»Es wird schon gut gehen«, versprach er. »Das hast du selbst gesagt.«
»Ja«, sagte Piper zustimmend. »Allerdings habe ich das nur gesagt, um Annabeth zu trösten.«
Jason zuckte mit den Schultern. »Es ist aber trotzdem wahr. Wir haben die Alte Welt schon fast erreicht. Und wir haben die Römer abgeschüttelt.«
»Und jetzt sind sie unterwegs nach Camp Half-Blood, um unsere Freunde zu überfallen.«
Jason zögerte, als ob es ihm schwerfiel, das nun auch noch positiv zu sehen. »Chiron wird schon eine Möglichkeit finden, sie aufzuhalten. Die Römer brauchen vielleicht Wochen, um das Camp zu finden und den Angriff zu planen. Und
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