Helden des Olymp, Band 3: Das Zeichen der Athene (German Edition)
Terrassen, die von grünem Wald bewachsen waren, und alles zusammen erinnerte Piper an eine im Laufe der Jahrhunderte verwitterte Sphinx, mit einem massiven weißen Kopf und Brustkasten und einem grünen Umhang.
»Der Felsen von Gibraltar«, sagte Annabeth ehrfürchtig. »An der Spitze Spaniens. Und dort drüben …« Sie zeigte nach Süden, wo sich in der Ferne rote und ockergelbe Hügel dahinzogen. »Das muss Afrika sein. Wir befinden uns am Eingang zum Mittelmeer.«
Es war ein warmer Morgen, aber Piper zitterte. Trotz der weiten See vor ihnen hatte sie das Gefühl, vor einem undurchdringlichen Hindernis zu stehen. Wenn sie erst im Mittelmeer wären – dem Mare Nostrum –, dann waren sie in der Alten Welt. Wenn die Sagen zutrafen, würde ihre Suche dort noch zehnmal gefährlicher werden.
»Was jetzt?«, fragte sie. »Segeln wir einfach weiter?«
»Warum nicht?«, fragte Leo. »Das ist eine viel befahrene Wasserstraße. Hier sind die ganze Zeit Schiffe unterwegs.«
Aber keine Trieren voller Halbgötter, dachte Piper.
Annabeth starrte den Fels von Gibraltar an. Piper kannte diesen nachdenklichen Gesichtsausdruck ihrer Freundin. Er bedeutete fast immer, dass sie mit Problemen rechnete.
»In den alten Zeiten«, sagte Annabeth, »haben sie das hier die Säulen des Herkules genannt. Der Fels galt als die eine Säule. Die andere war einer der afrikanischen Berge. Aber niemand weiß so genau, welcher.«
»Herkules, was?« Percy runzelte die Stirn. »Der Typ ist so eine Art Starbucks des alten Griechenland. Wo immer man hinschaut – er ist schon da.«
Ein dröhnendes BUMM ließ die Argo II erbeben, aber Piper wusste nicht, woher es diesmal kam. Sie sah kein anderes Schiff und der Himmel war unbewölkt.
Ihr Mund war plötzlich wie ausgedörrt. »Also, diese Säulen des Herkules … sind die gefährlich?«
Annabeth schaute noch immer die weißen Felsen an, als ob sie darauf wartete, dass dort das Zeichen der Athene aufloderte. »Für die Griechen kennzeichneten die Säulen das Ende der bekannten Welt. Die Römer sagten, in den Säulen sei auf Latein eine Warnung eingeschrieben …«
»Non plus ultra«, sagte Percy.
Annabeth machte ein überraschtes Gesicht. »Ja. Nicht darüber hinaus. Woher weißt du das?«
Percy zeigte auf den Felsen. »Weil ich es vor der Nase habe.«
Genau vor ihnen, mitten in der Meerenge, war schimmernd eine Insel erschienen. Piper war sicher, dass da vorher keine gewesen war. Die Insel war eine kleine hügelige Landmasse, bedeckt mit Wäldern und umsäumt von weißen Stränden. Nicht sonderlich beeindruckend im Vergleich zu Gibraltar, aber an die hundert Meter vor der Insel ragten zwei weiße griechische Säulen aus den Wellen; sie waren so hoch wie die Masten der Argo II. Zwischen den Säulen funkelten riesige silberne Wörter unter Wasser – vielleicht eine Illusion, vielleicht in den Sand eingelassen: NON PLUS ULTRA.
»Leute, soll ich wenden?«, fragte Leo nervös. »Oder …«
Niemand antwortete – vor allem vielleicht deshalb, weil sie wie Piper eine Gestalt am Strand entdeckt hatten. Als das Schiff sich den Säulen näherte, sah sie einen dunkelhaarigen Mann in lilafarbenen Gewändern, der die Arme verschränkt hatte und ihr Schiff anstarrte, als ob er schon auf sie gewartet hätte. Piper konnte aus der Ferne sonst nicht viel erkennen, aber seine Haltung ließ annehmen, dass er nicht gerade glücklich war.
Frank schnappte nach Luft. »Könnte das …«
»Herkules«, sagte Jason. »Der mächtigste Halbgott aller Zeiten.«
Die Argo II war jetzt nur noch wenige Hundert Meter von den Säulen entfernt.
»Ich brauch eine Antwort«, drängte Leo. »Ich kann wenden, oder wir heben ab. Die Stabilisatoren funktionieren wieder. Aber ich muss ganz schnell wissen …«
»Wir müssen weiterfahren«, sagte Annabeth. »Ich glaube, er bewacht die Meerenge. Wenn das wirklich Herkules ist, wäre es nicht sinnvoll, umzudrehen oder zu fliegen. Er will sicher mit uns sprechen.«
Piper widerstand der Versuchung, Charmesprech anzuwenden. Sie wollte Leo zurufen: »Flieg los! Schaff uns hier weg!« Leider hatte sie das Gefühl, dass Annabeth Recht hatte. Wenn sie ins Mittelmeer wollten, führte kein Weg an dieser Begegnung vorbei.
»Wird Herkules nicht zu uns halten?«, fragte sie hoffnungsvoll. »Ich meine … er ist doch einer von uns, oder?«
Jason grunzte. »Er war der Sohn des Zeus, aber bei seinem Tod wurde er zum Gott erhoben. Und bei Göttern weiß man nie.«
Piper
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