Helden des Olymp, Band 3: Das Zeichen der Athene (German Edition)
oben einen Teil der Metallstreben zu holen, um sie als Stange zum Rutschen zu nutzen, aber die waren alle fest angeschraubt. Außerdem wollte sie nicht, dass das Haus über ihr zusammenbrach.
Der Frust kroch ihr durch den Leib wie ein Termitenschwarm. Ihr Leben lang hatte sie zugesehen, wie andere Halbgötter beeindruckende Kräfte entwickelten. Percy konnte das Wasser beherrschen. Wenn er hier gewesen wäre, hätte er den Wasserspiegel erhöhen und dann ganz einfach nach unten sinken können. Hazel konnte sich nach dem, was sie erzählt hatte, unter der Erde präzise zurechtfinden und sogar Tunnel entstehen lassen oder ihren Lauf verändern. Sie hätte sich hier leicht einen neuen Weg erschaffen können. Leo hätte einfach das passende Werkzeug aus seinem Gürtel ziehen und sich etwas bauen können, um nach unten zu gelangen. Jason könnte sich vom Wind nach unten tragen lassen. Sogar Piper mit ihrem Charmesprech … Sie hätte Tiberinus und Rhea Silvia überredet, noch ein wenig hilfsbereiter zu sein.
Aber was hatte Annabeth? Einen Bronzedolch, der nichts Besonderes zu bieten hatte, und eine verfluchte Silbermünze. Sie hatte ihren Rucksack mit dem Laptop des Dädalus, eine Flasche Wasser, ein paar Stücke Ambrosia für Notfälle und eine Streichholzschachtel – vermutlich vollkommen nutzlos, aber ihr Dad hatte ihr eingeschärft, das sie immer im Stande sein müsste, ein Feuer zu machen.
Sie besaß keine beeindruckenden Kräfte. Sogar ihr einziges echtes magisches Besitztum, die Yankees-Tarnkappe, funktionierte nicht mehr und lag in ihrer Kabine auf der Argo II.
Du hast deine Intelligenz, sagte eine Stimme. Annabeth überlegte, ob Athene zu ihr sprach, aber vermutlich war das nur Wunschdenken.
Intelligenz … wie bei Athenes Lieblingsheld Odysseus. Der hatte durch Klugheit den Trojanischen Krieg gewonnen, nicht durch Stärke. Er hatte alle Arten von Notsituationen mit seinem schnellen Verstand gemeistert. Und das wusste Athene zu schätzen.
Die Tochter der Weisheit geht allein.
Das bedeutete nicht nur, ohne andere Menschen, wie Annabeth nun begriff. Es bedeutete auch, ohne besondere Kräfte.
Na gut … wie konnte sie nun heil nach unten gelangen und sichergehen, dass sie zur Not auch wieder nach oben kommen könnte?
Sie kletterte zurück in den oberen Keller und starrte die geöffneten Kisten an. Drachenschnur und Plastikschwerter. Die Idee, die ihr jetzt kam, war so albern, dass sie fast losgeprustet hätte, aber es war besser als nichts.
Sie ging ans Werk. Ihre Hände schienen genau zu wissen, was sie zu tun hatten. Das kam manchmal vor, wie zum Beispiel wenn sie Leo mit den Schiffsmaschinen half oder am Computer architektonische Entwürfe machte. Sie hatte noch nie etwas aus Drachenschnüren und Plastikschwertern konstruiert, aber es kam ihr leicht vor, geradezu natürlich. In Minutenschnelle hatte sie ein Dutzend Schnurrollen und einen Kasten Schwerter zu einer notdürftigen Strickleiter verarbeitet – ein geflochtenes Seil, stark, aber nicht zu dick, mit Schwertern im Abstand von sechzig Zentimetern, die als Hand- und Fußstützen dienten.
Als Test band sie ein Ende um eine Säule und hängte sich mit ihrem ganzen Gewicht daran. Die Plastikschwerter bogen sich unter ihr, aber sie verstärkten auch die Knoten im Seil und Annabeth konnte sie besser fassen.
Die Leiter hätte keinen Preis für Design gewonnen, aber sie könnte sie vielleicht unversehrt auf den Boden der Höhle bringen. Zuerst füllte Annabeth ihren Rucksack mit den restlichen Schnurrollen. Sie wusste nicht, warum, aber sie waren immerhin ein nützliches Hilfsmittel und wogen nicht viel.
Sie lief zurück zu dem Loch im Mosaikboden, vertäute ein Ende der Leiter am nächstgelegenen Teil des Gerüstes und glitt abwärts.
XXXIV
Annabeth
Während Annabeth in der Luft hing und sich an der wild hin und her pendelnden Leiter nach unten hangelte, dankte sie Chiron für die vielen Trainingsjahre an der Kletteranlage von Camp Half-Blood. Sie hatte sich oft und laut darüber beklagt, dass das Klettern an Seilen ihr niemals helfen würde, ein Monster zu besiegen. Chiron hatte nur gelächelt, als wüsste er, dass dieser Tag kommen würde.
Endlich war Annabeth unten angekommen. Sie verfehlte die Brüstung aus Backsteinen und landete im Kanal, aber der war nur wenige Zentimeter tief. Eiskaltes Wasser sickerte durch ihre Turnschuhe.
Sie hob ihren leuchtenden Dolch. Der flache Kanal floss in der Mitte des Backsteintunnels. Alle
Weitere Kostenlose Bücher