Helden des Olymp: Der verschwundene Halbgott (German Edition)
sehen, ob vor Wut oder vor Belustigung. »Ein Sohn des Zeus, der in Heras Gunst steht? Das ist wirklich etwas Neues. Erzähl uns deine Geschichte.«
An dieser Stelle hätte Jason die Sache fast verpatzt. Er hatte nicht damit gerechnet, dass sie ihn reden lassen würden, und jetzt ließ ihn seine Stimme im Stich.
Piper rettete ihn. »Eure Majestät.« Sie machte wieder einen Knicks, mit unglaublicher Eleganz in Anbetracht der Tatsache, dass ihr Leben auf dem Spiel stand. Sie erzählte Boreas die ganze Geschichte, vom Grand Canyon bis zur Weissagung, viel besser und schneller, als Jason das gekonnt hätte.
»Wir bitten nur um einen Rat«, endete Piper. »Diese Sturmgeister, die uns angegriffen haben, arbeiten für irgendeine böse Herrin. Wenn wir sie finden, können wir vielleicht auch Hera finden.«
Der König streichelte die Eiszapfen in seinem Bart. Vor den Fenstern war es Nacht geworden und nur das Nordlicht über ihnen flackerte und überstrahlte alles in Rot und Blau.
»Ich habe von diesen Sturmgeistern gehört«, sagte Boreas. »Ich weiß, wo sie gehalten werden, und ich weiß von dem Gefangenen, den sie gemacht haben.«
»Ihr meint Trainer Hedge?«, fragte Jason. »Der lebt noch?«
Boreas wischte diese Frage beiseite. »Noch, ja. Aber die, die diese Sturmwinde beherrscht … es wäre Wahnsinn, sich ihr zu widersetzen. Da wäre es besser für euch, als gefrorene Statuen hierzubleiben.«
»Hera schwebt in Gefahr«, sagte Jason. »In drei Tagen wird sie – ich weiß nicht – verschlungen, vernichtet, irgendwas. Und ein Riese wird sich erheben.«
»Ja«, stimmte Boreas zu. Bildete Jason sich das ein, oder warf er Chione einen wütenden Blick zu? »Viele schreckliche Dinge erwachen. Nicht einmal meine Kinder sagen mir alles, was sie mir sagen sollten. Das große Erwachen der Monster, das mit Kronos begonnen hat – dein Vater Zeus hat in seiner Torheit geglaubt, es werde mit der Niederlage der Titanen ein Ende haben. Aber so wie es früher war, so ist es auch jetzt. Die Entscheidungsschlacht steht noch aus, und der, der erwacht, ist grauenhafter als jeder Titan. Sturmgeister – die sind doch nur der Anfang. Die Erde hat noch viel mehr Schrecken zu bieten. Wenn die Monster nicht mehr im Tartarus bleiben und Seelen nicht mehr im Hades eingeschlossen sind … dann hat der Olymp allen Grund zur Furcht.«
Jason wusste nicht so recht, was das alles bedeutete, aber Chiones Lächeln gefiel ihm gar nicht – als sei das hier ihre Vorstellung von Spaß.
»Ihr werdet uns also helfen?«, fragte Jason den König.
Boreas runzelte unwillig die Stirn. »Das habe ich nicht gesagt.«
»Bitte, Eure Majestät«, sagte Piper.
Alle sahen sie an. Sie musste vor Angst außer sich sein, sah aber schön und zuversichtlich aus – und das hatte nichts mit dem Segen der Aphrodite zu tun. Sie sah wieder aus wie sie selbst, in Reisekleidern, die sie seit einem Tag trug, mit unregelmäßig geschorenen Haaren und ohne Schminke. Aber hier in dem kalten Thronsaal glühte sie fast vor Hitze. »Wenn Ihr uns sagt, wo die Sturmgeister sind, können wir sie fangen und zu Aeolus bringen. Euer Chef wäre von Euch beeindruckt. Vielleicht begnadigt Aeolus uns und die anderen Halbgötter dann. Wir könnten sogar Trainer Hedge retten. Und alle hätten etwas davon.«
»Sie ist hübsch«, murmelte Zethes. »Ich meine, sie hat Recht.«
»Vater, hör nicht auf sie«, sagte Chione. »Sie ist ein Kind der Aphrodite. Sie wagt es, einem Gott mit Charme-Sprech zu kommen! Lass sie sofort gefrieren!«
Boreas dachte nach. Jason schob die Hand in die Tasche, bereit, die Goldmünze hervorzuziehen. Wenn alles schiefging, würde er schnell handeln müssen.
Diese Bewegung erregte Boreas’ Aufmerksamkeit. »Was hast du da auf dem Unterarm, Halbgott?«
Jason hatte nicht bemerkt, dass sein Ärmel hochgerutscht war und den Rand seiner Tätowierung zeigte. Widerstrebend zeigte er sie Boreas. Der Gott machte große Augen. Chione zischte und wich zurück.
Dann tat Boreas etwas Unerwartetes. Er lachte so laut, dass ein Eiszapfen von der Decke brach und neben seinem Thron aufprallte. Die Umrisse des Gottes veränderten sich. Sein Bart verschwand. Er wurde größer und dünner und seine Kleidung verwandelte sich in eine römische Toga mit lila Aufnähern. Sein Kopf war gekrönt von einem frostigen Lorbeerkranz und ein Gladius – ein römisches Schwert, wie Jasons – hing an seiner Seite.
»Aquilon«, sagte Jason, auch wenn er keine Ahnung hatte,
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