Helden-Maus
mochte. Es war nicht seine Magie, es war die Magie des Kissens.
Er musste ein besonderes Kissen gepflückt haben, ohne dass ihm dies klargeworden war: ein lebendiges, sprachbegabtes. Jetzt brauchte er es nur noch zurück zum Kissen-Strauch zu bringen und es gegen ein anderes auszutauschen, dann war sein Problem gelöst.
Beruhigt setzte er seinen Heimweg fort, er hatte schon vergessen, welches Problem ihn überhaupt erst in sein Versteck getrieben hatte. Als er sich seinem Heim näherte, roch er den köstlichen Duft von Purpurbouillon. Sein Vater Krach musste wieder sein volles Ogeraussehen angenommen haben, um die Zutaten zu beschaffen. Tatsächlich war Krach nur ein Halboger, denn Esks Großeltern väterlicherseits waren Knacks Oger und eine Schauspielerin der Fluchungeheuer gewesen. Wenn Krach jedoch ogerhaft wurde, konnte niemand ihn von einem Voll-Oger unterscheiden. Dann schwoll er schrecklich an und platzte aus seinen Hosen. Tandy jedoch, die nymphischer Herkunft war, zog Krach als Menschenmann vor, weshalb er meistens diese Gestalt beibehielt.
Esk konnte sich nicht willentlich in einen Oger verwandeln, aber wenn er wütend oder verzweifelt genug wurde, entwickelte er doch einiges an Ogerkraft. Das hielt zwar nie lange vor, aber das brauchte es ja auch gar nicht; ein Hieb mit einer ogerhaft starken Faust konnte den Stamm eines Steinahornbaums pulverisieren. Ebenso wenig besaß er ein Talent für Schauspielerei, aber wenn es wirklich sein musste, konnte er sich vorübergehend auch als Schauspieler betätigen. Das war das Erbe seiner Fluchungeheueroma. Die allermeiste Zeit herrschte sein menschliches Erbe vor, da er von beiden Eltern teilen her teils menschlich war. Er war ein ziemlich normaler Bursche mit grauen Augen und nichtssagendem braunem Haar. Oft hätte er es sich lieber anders gewünscht, aber er hatte keine wirkliche Wahl; offensichtlich war ihm keinerlei Größe beschieden.
Doch es hatte keinen Zweck, sich darüber zu grämen, schließlich galt es, eine Purpurbouillon zu essen!
Zwei Tage später, als er sich langweilte, kehrte Esk in sein Versteck zurück. Er trat ein und überprüfte die Kissen. Alle sahen völlig normal aus. »Welches von euch ist lebendig?« fragte er, erhielt jedoch keine Antwort. Er zuckte die Schultern. Schließlich nahm er sie alle auf und brachte sie hinaus zum Kissenstrauch, wo er sie ohne viel Aufhebens einfach fallen ließ. Dann pflückte er einige neue. Das musste er ohnehin in regelmäßigen Abständen tun, damit sie nicht schmutzig wurden und rochen. Die neuen Kissen brachte er zu seinem Baum und ließ sie auf den Boden plumpsen. Er zögerte erst, dann setzte er sich vorsichtig darauf. Im Gegensatz zu dem, was das lebendige Kissen behauptet hatte, war sein Hinterteil gar nicht fett; im nachhinein wünschte er sich fast, dass er das Kissen in diesem Punkt berichtigt hätte. Aber die pfiffigen Antworten fielen ihm immer zu spät ein. Auch das verdankte er seinen Vorfahren: Weder Oger noch Nymphen waren für ihre Schlagfertigkeit bekannt.
Er war hungrig, deshalb holte er eine Pastete hervor, die er vor einer Weile gepflückt hatte. Es war eine Armpastete, und die schmeckten immer am besten, wenn sie richtig gewürzt waren. Diese war mit matschigen Rosinen bedeckt und besaß eine steinharte Kruste, während sie im Innern bereits angefault war.
Er führte sie an seinen Mund und nahm einen Oger-Bissen. Seine Zähne senkten sich, gruben sich hinein – und die Pastete explodierte ihm ins Gesicht. Rosinen schossen hervor und flogen auf seine Augen zu, und die Pastetenkruste zuckte zwischen seinen Lippen. »Schieb bloß deine hässliche Katze weg!« rief die Pastete.
»Meine hässliche was?« fragte Esk erschrocken.
»Dein hässliches Kätzchen, Mieze, Schnurbär…«
»Ach, du meinst meine hässliche Schnauze?« fragte er, nachdem er endlich begriffen hatte.
»Dein hässliches wie auch immer«, pflichtete die Pastete ihm bei und machte einen breiten Mund. »Was hast du dir denn dabei gedacht, Ogergesicht?«
»Ogergesicht?« wiederholte Esk und genoss das Kompliment, bis er merkte, dass die Pastete es eher als Beschimpfung gemeint hatte. »Ich versuchte gerade…«
»Ach ja, versucht hast du also! Na, dann versuch das jedenfalls nicht noch einmal!«
»Aber…«
»Du hast die arme Pastete doch nie gefragt, ob sie es gern hat, wenn man auf ihr herumkaut, oder?«
»Aber es ist doch eine Armpastete! Die soll doch gegessen werden!«
»Wirklich sehr wahrscheinlich,
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