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Heldenplatz (German Edition)

Heldenplatz (German Edition)

Titel: Heldenplatz (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Bernhard
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neunundneunzig Jahre
    sondern jedem einzelnen lebenslänglich
    dafür verbürgt sie sich
    ich meine nicht nur die katholische
    alle Religionen verpachten jedem ihren lieben Gott
    der Glaube ist nichts anderes als ein Pachtverhältnis
    Milliarden Pächter zahlen jährlich den hohen Pachtzins
    an ihre Kirchen
    und verbluten daran
    ANNA  
    Der Vater wollte nicht
    daß Partezettel gedruckt werden
    PROFESSOR ROBERT  
    Das hat mich am meisten überrascht
    daß ein Mensch wie euer Vater
    ein Testament gemacht hat
    und noch dazu mit präzisen Wünschen
    das ist mir im Grunde völlig unverständlich
    alles an ihm hat immer dagegen gesprochen
    Mein Bruder ein Testament
    das habe ich nicht für möglich gehalten
    ANNA  
    Das Haus in Schalchham
    hat er der Zittel vermacht
    PROFESSOR ROBERT  
    Das hab ich gewußt
    daß Schalchham der Zittel zukommt
    das ist auch richtig
    das hat sie sich verdient
    Letztenendes war die Zittel der wichtigste Mensch
    den er gehabt hat
    Meine Schwägerin eure Mutter
    hat ja schließlich nur die zweite Stelle eingenommen
    aber das ist kein Geheimnis
    die Schusterschen Ehefrauen
    waren niemals an erster Stelle
    ANNA  
    Am Abend geht die Zittel zum Sluka
    PROFESSOR ROBERT  
    Hoffentlich bringt sie mir mein Wildpastetentörtchen mit ANNA  
    Natürlich Onkel Robert
    Du bleibst doch über Nacht in Wien
    PROFESSOR ROBERT  
    Es macht euch sicher Arbeit
    aber ich kann heute nicht mehr nach Neuhaus
    das wäre zuviel
    ich bin ja mit allem zufrieden
    die Hauptsache ich habe ein Zimmer für mich allein
    Sind denn überhaupt noch Möbel in der Wohnung
    ANNA  
    Natürlich Onkel Robert
    PROFESSOR ROBERT zu Olga
    Du bist schon als Kind immer die Schweigsame gewesen
    Zu schweigen ist ja kein Unglück mein Kind
    Ich hab nie geglaubt daß der Josef
    vor mir tot sein wird niemals
    ANNA  
    Hoffentlich war dir das alles
    nicht zuviel Onkel Robert
    PROFESSOR ROBERT  
    Die Engstirnigkeit und die Gemeinheit der Österreicher
    hat euren Vater immer aufgeregt
    Vielleicht hätte er schon gleich in den sechziger Jahren
    wieder nach Oxford zurückgehen sollen
    Er hat immer gedacht
    ich werde früher sterben als er
    i c h war ja immer der Herzkranke
    er war immer der Gesunde
    OLGA zu Anna
    Kannst du mir deinen Schal geben
    ANNA nimmt den Schal ab und gibt ihn Olga
    Arme frierende Schwester
    PROFESSOR ROBERT  
    Ihr müßt das Alter studieren
    die jungen Menschen können nicht früh genug
    damit anfangen
    die alten Leute müßt ihr studieren sage ich immer
    die Absterbenden
    OLGA  
    Glaubst du der Vater wäre in Oxford
    nocheinmal glücklich geworden
    sie wickelt sich den Schal um beide Hände
    PROFESSOR ROBERT  
    Das glaube ich nicht
    der Vater war schon jahrzehntelang
    ein unglücklicher Mensch
    das wäre er auch in England geblieben
    Fünfundfünfzig war er von der Idee
    wieder nach Wien zurückzugehen
    nicht abzubringen
    er war wie besessen davon
    OLGA  
    Die Mutter war doch dagegen
    PROFESSOR ROBERT  
    Eure Mutter war immer dagegen
    eure Mutter hat in England Wien gehaßt
    kein gutes Wort hat sie an Wien
    und an Österreich gelassen
    Ich denke nicht daran
    wieder nach Wien zurückzugehen
    die Wiener haben dich doch niederträchtig hinausgeworfen
    denk doch nur an die Kollegenschaft in der Universität
    hat sie immer wieder gesagt
    alles Judenhetzer
    Er hörte nicht auf sie
    noch am Tag ihrer Abreise
    hat sie zu mir gesagt
    In Wien wartet auf uns nur Fürchterliches
    du wirst sehen Robert es wird unser Ende sein
    eure Mutter hat alles vorausgesehen
    euer Vater hat ja auch in Wien nicht mehr Fuß gefaßt
    die neuen Wiener Kollegen haben ihn von Anfang an gehaßt
    wenn sie ihm begegnet sind so doch wenigstens mit stupider Abneigung
    OLGA  
    Ich versteh so vieles nicht
    ich will es auch gar nicht verstehen
    PROFESSOR ROBERT  
    Oxford war ihm auch zu klein zu eng
    die Atmosphäre in Oxford hat er selbst immer
    als kleinstädtisch philiströs bezeichnet
    ein Mann wie er mußte sich auch in Oxford
    beengt eingesperrt fühlen
    ich weiß ja wie es in Cambridge war
    diese englischen Studierstädte sind im Grunde grauenhaft
    wie einem ja auch alles Englische bald auf die Nerven geht
    Ich habe verstanden daß er nach Wien zurück will
    aber es war vorauszusehen
    daß die Rechnung nicht aufgehen wird
    Einerseits hat ihn Wien zurückgelockt
    andererseits hat es ihn schon gleich wieder verraten
    Hinter ihm ist niemand gestanden
    alle waren sie gegen ihn selbstverständlich
    weil er ihnen allen doch überlegen gewesen war
    sie

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