Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Heldenplatz (German Edition)

Heldenplatz (German Edition)

Titel: Heldenplatz (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Bernhard
Vom Netzwerk:
sie könnten
    würden sie uns auch heute ohne Umstände
    umbringen
    Mein Bruder ist ja auch vor diesen Fürchterlichen
    in Kleist Goethe Kafka hineingeflüchtet
    aber man kann nicht das ganze Leben
    nur in die Dichtung und in die Musik hineinflüchten
    an einem bestimmten Punkt geht das nicht mehr
    dann bleibt unter Umständen nurmehr noch der Selbstmord
    Wahrscheinlich ist es nur die Frage
    des günstigsten Augenblicks
    die Frage des günstigsten Augenblicks ist es
    zu Olga direkt
    Du hast nie eine Beziehung zur Musik gehabt
    das ist ganz merkwürdig
    Die Anna ja du nicht
    dein Vater konnte das nicht verstehen
    vielleicht liegt es daran
    daß du in der Schweiz geboren bist
    schaut in Richtung Burgtheater
    Wenn die Leute auf dem Burgtheater auftreten
    bilden sie sich ein
    sie sind etwas
    Die Niederreiter kommt doch nicht jetzt
    zum Mittagessen
    Schauspieler und Schauspielerinnen am Tisch
    das war nie meine Sache
    Meine Sekretärin wollte ja auch Schauspielerin werden
    daraus wurde nichts
    zu einer guten Schreibkraft gehört auch Talent
    Noch sind die Österreicher ein musikalisches Volk
    aber eines Tages
    werden sie auch kein musikalisches Volk mehr sein
    Sie gehen weiter

Dritte Szene
    Ausgeräumtes Speisezimmer
    Nur ein langer Tisch und sieben verschiedene Sessel
    Der Tisch ist notdürftig gedeckt
    Eine hohe Tür links, eine hohe Tür rechts
    Drei große hohe Fenster mit Blick auf den Heldenplat z
    Die Jalousien sind offen
    Kisten und Koffer mit der Aufschrift Oxford
    Professor Robert, Professor Liebig und Frau,
    Herr Landauer und Anna sitzen an den Wänden,
    Olga auf einer Kiste, und warten auf die
    Frau Professor Schuster und Lukas
    PROFESSOR ROBERT  
    Denkanstöße geben
    mehr war es ja nicht
    Die Zuhörer haben immer taube Ohren
    es wird geredet aber es wird nicht verstanden
    Zur Selbstverleugnung nicht befähigt
    in allen diesen Gesichtern ist doch nur Anmaßung
    sonst nichts
    Alle Wissensgebiete geschändet
    alle Kultur vernichtet
    den Geist ausgetrieben
    Früher ist es ein Vergnügen gewesen
    auf die Straße zu gehen
    naturgemäß auch alles irrtümlich
    irrtümlich alles naturgemäß
    er schaut auf die Straße
    Redet man mit einem Menschen
    stellt sich heraus er ist ein Idiot
    in jedem Wiener steckt ein Massenmörder
    aber man darf sich die Laune nicht verderben lassen
    Es ist die Logik ganz einfach in der Schicksalsgemeinschaft
    ersticken zu müssen
    Wien ist eine kalte graue Stadt provinziell
    das Amerikanische macht es so widerwärtig
    Der Amerikanismus hat hier alles zerstört
    Ich habe mir die Laune nie verderben lassen
    Das Österreichische frage ich mich immer
    was ist es
    die Absurdität zur Potenz
    es zieht uns an und stößt uns ab
    total verkommener Sozialismus
    total verkommenes Christentum
    Am Ende sind wir doch alle nur angewidert davon
    das ist das Deprimierende
    ANNA  
    Ich werde jedenfalls den Brief an den Bürgermeister aufsetzen
    du mußt ihn ja nicht gleich unterschreiben Onkel Robert
    Die Straße reißt ja das Grundstück vollkommen auseinander
    Die Mutter ist ja hilflos
    mit der Mutter macht die Gemeinde ja was sie will
    die Mutter kann nichts unternehmen
    Angeblich soll auch die Kirche abgerissen werden
    OLGA  
    Neuhaus ist ja schon ruiniert
    PROFESSOR LIEBIG  
    Ich erinnere mich genau an Neuhaus
    wir waren jeden Sommer zwei Wochen in Neuhaus
    PROFESSOR ROBERT  
    Für uns war es auch immer nur die Sommerfrische
    Während unserer Englandzeit ist es mehr oder weniger verfallen das Haus
    ANNA  
    Onkel Robert hat es sich so schön hergerichtet
    Den großen Garten angelegt
    Und jetzt wird das alles durch die neue Straße ruiniert
    FRAU LIEBIG  
    Mit dem einzelnen wird heute gemacht was der Staat will
    PROFESSOR LIEBIG  
    Das war immer so
    PROFESSOR ROBERT  
    Dem einzelnen ist vom Staat immer auf den Kopf gemacht worden
    PROFESSOR LIEBIG  
    Eine schlimme Zeit
    PROFESSOR ROBERT  
    Dem Denkenden kann in der Frühe nur übel werden
    PROFESSOR LIEBIG  
    Es herrschen überall chaotische Zustände
    Die Lüge beherrscht alles
    und das Unvermögen
    HERR LANDAUER  
    Wahrscheinlich wird die Regierung im Herbst umgebildet
    PROFESSOR LIEBIG  
    Darum geht es ja nicht
    das ist ja vollkommen gleichgültig was das für eine Regierung ist
    es ist ja eine wie die andere
    es sind ja immer dieselben Leute
    es sind ja immer dieselben Geschäfte
    die diese Leute machen
    es sind immer dieselben Interessen
    das sind ja immer diese ganz und gar verkommenen Leute
    die mit jedem Tag den Staat mehr

Weitere Kostenlose Bücher