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Heldenstellung

Heldenstellung

Titel: Heldenstellung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Glubrecht
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Dann öffnet er eigenhändig die Tür – weil Jessica ausgerechnet heute ihren freien Tag hat.

Communication Gap
    Auf der Fahrt nach Hause rauscht es in meinem Kopf wie in der Einflugschneise eines Flughafens. Am liebsten würde ich direkt zu Sina fahren und ihr alles erzählen. Aber zuerst muss ich meine Sachen aus dem Haus holen. Als ich die Tür aufschließe, fühle ich mich immer noch wie betäubt. Er hat die ganze Zeit über gewusst, dass ich die Aufgabe vermasseln werde! Ich steige die Treppen zur Wohnung meines Vaters hinauf. Der Trolley steht seit zwei Monaten hinter der Tür. Aber zuerst einmal muss ich diesen Anzug ausziehen! Ich schlüpfe aus dem Jackett, öffne die Schranktür und taumele zurück:
    Zwischen den Sakkos und Hemden meines Vaters steht Jessica. Sie trägt ein Lederkorsett mit einer Menge Schnallen und Schnüren daran, Netzstrümpfe und extrem hohe High Heels, die es ihr noch schwerer machen, in dem niedrigen Schrank aufrecht zu stehen. Die Hände hält sie auf dem Rücken, ihren Mund verstopft ein kleiner roter Gummiball, der von einer Lederfessel gehalten wird. Oh Gott, was ist passiert?
    »Jessica?«, rufe ich und will ihr aus dem Schrank helfen.
    »Mmmh«, murmelt sie freundlich. Jetzt sehe ich, dass ihre Hände mit Handschellen und ihre Füße mit Fußfesseln verschnürt sind. Kurzerhand hebe ich sie hoch und lege sie neben meinen Trolley aufs Bett.
    »Was machst du denn hier? Und was hast du da für Sachen an?«
    »Mmmh«, macht sie wieder. Es dauert ein paar Sekunden, bis ich bei all den Schnallen und Ösen den Verschluss zu ihrem Lederknebel gefunden habe. Aber anstatt mir für ihre Rettung zu danken und mir irgendwelche Geschichten vom Räuber Hotzenplotz aufzutischen, sagt sie nur mit verheißendem Augenaufschlag: »Hi!«
    Zum ersten Mal, seit ich sie kenne, sieht sie glücklich aus.
    »Jessica, was soll der Aufzug?«
    »Eigentlich warte ich auf deinen Vater. Er meinte, du wärst ausgezogen«, sagt sie. Dann erklärt sie mir, dass sie eine devot-masochistische Neigung habe – »sonst würde ich wohl kaum für so einen Kerl wie ihn arbeiten«. Die beiden pflegen seit Jahren ein S/M-Verhältnis, was seine widerliche Art ihr gegenüber und ihre viel zu engen Arbeitsplätze erklärt.
    »Ich dachte, du wärst schon weg, deshalb habe ich mich nach langer Zeit mal wieder heimlich in den Schrank gesperrt. Den Wohnungsschlüssel habe ich von deinem Vater geklaut. Dafür werde ich wahrscheinlich noch mal extra bestraft«, gurrt sie. Die hat wohl zu viel Shades of Grey gelesen. Ich deute auf ihre Handschellen.
    »Gibt es dazu auch einen passenden Schlüssel?«, will ich wissen. Sie schaut mich unschuldig an, was in ihrem Aufzug nicht sehr glaubwürdig herüberkommt.
    »Den musst du suchen.« Wieder klimpert sie mit ihren langen Wimpern. »Aber du bist schon nah dran«, haucht
sie.
    Okay, da liegt die Frau, auf die ich mal so scharf war wie original thailändisches Essen in offensichtlicher Allzeit-bereit-Kleidung auf meinem Bett und benimmt sich, als wären wir in einem Pornofilm. Vor zwei Monaten hätte ich vielleicht anders gehandelt, aber jetzt sage ich:
    »Jessica, das ist es nicht, was ich will.«
    »Schade«, meint sie. »Bist halt der liebe Sohn eines dominanten Vaters.«
    »Wie lang steckst du denn da schon drin?«
    »Erst ein Stündchen. Oder zwei.«
    »Aber wie kann man sich selbst in den Schrank sperren?«
    »Übungssache«, sagt sie. »Ich kann sogar mit Handschellen Zehn-Finger-Tippen. Dein Vater sieht mir sehr gern dabei zu.«
    Plötzlich schaut sie mich traurig an. »Ich rede zu viel, oder? Du kannst mich gern wieder knebeln.« Offensichtlich will sie nicht aus ihrer Rolle. Einen Moment lang überlege ich, ihrem Wunsch nachzukommen, denn ich muss jetzt erst mal nachdenken.
    Es klingelt an der Tür. Ich zucke zusammen. Was mache ich, wenn mich jetzt mein Vater mit seiner Assistentin erwischt? Na ja, mehr als rausschmeißen kann er mich eh nicht. Vielleicht ist es aber auch Error, der sein Auto zurückhaben will.
    »In den Schrank!«, befehle ich Jessica, die meine harschen Worte mit angenehm überraschtem Lächeln goutiert und gutgelaunt wieder in den Schrank hüpft. Sicherheitshalber lege ich ihr doch den Knebel wieder um. Ist der gleiche Verschluss wie bei meinen Sandalen.
    Es klingelt erneut. »Einen Moment!«, rufe ich, renne die Treppen herunter und reiße die Tür auf. Davor steht: »Sina!«
    Sie hat sich mitten im Oktober ein Sommerkleid angezogen, hält eine Flasche

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