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Heldenstellung

Heldenstellung

Titel: Heldenstellung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Glubrecht
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wenn . . .«
    Ich zögere, und Sina ergänzt: ». . . sie völlig verheult vor einem im Ashram liegt?« Eben hat es mit den Yogaweisheiten gut geklappt, also versuche ich es gleich noch mal:
    »Was wirklich gut für einen ist, erkennt man erst, wenn, man verstanden hat, was wirklich wichtig ist«, sage ich.
    »Und was ist dir wichtig?«
    »Du bist mir wichtig.«
    »Verarschst du mich jetzt?«, fragt Sina argwöhnisch.
    »Nein«, sage ich und übertrete die emotionale Schmalzgrenze um Lichtjahre, nachdem ich sie so lange Zeit nur aus der Ferne angestarrt habe.
    »Es geht um Liebe. Einfach nur um Liebe.«
    »Jetzt klingst du wie Florian Silbereisen«, sagt Sina leise und wischt sich eine Träne aus dem Auge. Ich höre ein Räuspern neben dem Vorhang. Sina sieht mich aus ihren großen grünen, verheulten Augen an. Ich schlucke. Kann ja nicht so schwer sein. Also raus damit.
    »Das heißt auch . . . also ganz direkt gesagt, ohne Umschweife und langes Drumherumreden . . .« Plötzlich tritt das Rascheln der vielen Füße da draußen vor dem Ashram und Haris drängelndes Räuspern in den Hintergrund. Es wird ganz still um uns. Und wie aus der Ferne höre ich mich mit ruhiger, fester Stimme aus der Tiefe meines Herzens sagen: »Konkret heißt das: Ich liebe dich.«
    Sina wagt sich langsam aus ihrer Ecke heraus, sieht mich aber immer noch misstrauisch an. »Bist du wieder betrunken?«
    »Nein, Sina.«
    »Du hast dir so eine Adrenalinspritze gegeben, oder?«, fragt sie und schlägt den Vorhang des Ashrams zurück. Als sie vor mir steht, muss ich wie ein Teenager lächeln. »Du bist meine Adrenalinspritze.«
    Neben mir höre ich die Stimmen der anderen angehenden Yogalehrer »Ooooooh« seufzen. Klingt fast wie ein Om.
    Hari atmet tief durch. »Das ist ja sehr romantisch, aber jetzt geht doch erst mal ins Studio.« Aber dieses eine Mal höre ich nicht auf seine Anweisungen. Ich ziehe Sina an mich und küsse sie. Und sie küsst zurück.
    »Jetzt aber los!«, ruft Hari. »Knutschen könnt ihr später.« Sina wischt sich die Tränen aus den Augen. Als sie kurz ins Bad verschwunden ist, fragt er: »Und du bist jetzt kein Unternehmensberater mehr?« Ich zucke mit den Achseln. »Ich war nie einer.«
    »Schade«, meint Hari und seufzt. »Denn offen gesagt, könnte ich einen gebrauchen.« Bevor ich ihn fragen kann, wofür, ist Sina schon wieder da. Hari verschwindet in den Übungsraum. Sina und ich folgen.
    Im Yogaraum sitzen zwei Frauen und zwei Männer im Schneidersitz auf Kissenrollen. Einer der Männer ist Hari. Er lächelt mich an.
    »Sina braucht jetzt kurz mal beide Hände«, sagt er. Erst jetzt merke ich, dass wir händchenhaltend den Raum betreten haben. Ertappt lasse ich Sina los.
    Wir hocken uns im Schneidersitz vor die vier. Eine der Frauen stimmt einen indischen Singsang an. Danach falten wir alle die Hände, heben sie erst an die Stirn, dann ans Herz und verbeugen uns voreinander.
    »Beginnen wir mit Uttanasana«, sagt die Frau, und Sina klappt sich sofort mit der Stirn zu den Knien hinunter. Die vier Prüfer sehen mich abwartend an.
    »Also ich will gar kein Yogalehrer werden«, sage ich. »Und ich kenne die Stellung nicht so gut.«
    Die Frau lächelt mich an: »Das müssen Sie auch nicht. Denn Sie haben doch Sina.«
    »Ja, zum Glück«, sage ich und grinse so breit, wie man es eigentlich nur mit sehr flexiblen Mundwinkeln kann.
    Dann machen wir zusammen die Prüfung. Nach all den Wochen der Yoga-Abstinenz bin ich etwas steif geworden, aber für Sina lege ich mich doppelt ins Zeug. Und natürlich muss ich den Kopfstand machen. Aber Sina gibt mir so gute Tipps und stützt mich in den entscheidenden Momenten, dass ich mich ganz sicher fühle und tatsächlich zu guter Letzt frei im Raum stehe.
    Zwei Stunden später hält sie ihre Urkunde in der Hand. Hari hat schon einen Rahmen besorgt und hängt sie an einen Ehrenplatz. Sina strahlt vor Glück. Immer wieder sieht sie von mir zu ihrer Auszeichnung, als könne sie noch nicht so recht glauben, dass sie nun beides hat.
    »Heute Abend«, verspricht sie mir, »können wir noch ein bisschen feiern. Aber jetzt solltest du vielleicht mal mit deinem Vater reden.«
    »Wieso?«, frage ich.
    »Weil man das so macht unter zivilisierten Menschen.« Hari legt mir die Hand auf die Schulter.
    »Nur wer vergibt, hört auf, ein Opfer zu sein.«
    »Das hat bestimmt Bushido gesagt«, vermute ich.
    Dann verabschiede ich mich von Sina, allerdings erst, nachdem wir uns für heute Abend

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