Heldenstellung
verabredet haben. Schweren Herzens fahre ich in das Fitness-Center, um zu retten, was zu retten ist. Aber von Khamroff und meinem Vater fehlt jede Spur. Mir bleibt nur noch der Weg in die Agentur.
Die Sicherheitsleute grüßen mich mit einem Nicken. Aber als ich meine Einlasskarte durch das Lesegerät ziehe, höre ich statt des freundlichen Öffnungssignals ein penetrantes Piepen. Dazu leuchtet ein rotes Licht auf. Die Türen bleiben geschlossen. Ich sehe fragend zu den Pförtnern herüber. Einer von ihnen zieht hilflos die Achseln hoch. Ich bitte sie, bei Jessica anzurufen, aber die ist auch nicht zu erreichen. Bei Jay, Ben und Thomas brauche ich es gar nicht zu probieren, die sind ja mit Adam in Amerika.
Nach zehn Minuten kommt glücklicherweise ein ehemaliger Kollege um die Ecke, der damals meinen peinlichen Auftritt bei Frau Merler-Beckscheid miterlebt hat. Als ich ihm erkläre, dass meine Karte nicht mehr funktioniert, schaut er mich mitleidig an, erbarmt sich aber, mich mit zum Büro meines Vaters zu nehmen.
Der Weg dorthin fühlt sich an wie der Weg zum Schafott. Die Tür zum Büro ist weit geöffnet, aber ich sehe weit und breit keine Spur von Jessica.
Aus dem Büro höre ich Stimmen. Dort sitzen mein Vater und ein junger Mann, der mir den Rücken zukehrt.
Ich klopfe gegen den Türrahmen. Der Mann dreht sich um. Es ist Adam.
»Was machst du denn hier?«, will ich wissen. »Ich dachte, du bist in Amerika?«
»Der Termin wurde gecancelt«, entgegnet er. »Das habe ich leider erst am Flughafen erfahren. Als dein Vater mich anrief und mir erzählte, dass du einfach abgehauen bist, habe ich mich natürlich gleich auf den Rückweg gemacht, aber da war Khamroff schon weg.«
Mein Vater beugt sich vor: »Ich habe Adam gebeten, zurückzukommen, damit er die Abwicklung des Projekts übernimmt.«
»Die Abwicklung? Was ist denn passiert?«, frage ich.
Mein Vater starrt mich böse an. Dann wendet er sich an Adam.
»Jedenfalls herzlichen Glückwunsch«, sagt er und streckt die Hand aus. »Wir reden später.« Adam verabschiedet sich mit Handschlag und wendet sich zum Gehen.
»Nothing personal, Frederick«, sagt er. »Am Ende hatte ich mich fast an dich gewöhnt.«
»Setz dich«, meint mein Vater, und ich nehme auf Adams Stuhl Platz. Er ist noch warm. »Ich habe unsere Situation mithilfe der Case Studies analysiert. Das Problem: Du hast den Kunden versetzt.« Er lehnt sich zurück, als würde er auf meine Zustimmung warten. Also nicke ich, und er fährt fort:
»Analyse: Das war Absicht. Lösungsentwurf: Du könntest rausgeschmissen werden.« Jetzt zieht sich ein sachliches Lächeln über sein Gesicht. »Und die Umsetzung: Du bist fristlos gekündigt. Ist eigentlich ganz logisch.«
Ich lasse den Kopf sinken. Klar, ich hatte Adam versprochen, mich zurückzuziehen, aber es ist eben nie schön, seinen Job zu verlieren. Selbst ich werde mich nie daran gewöhnen.
»Sorry for the inconvenience«, sagt mein Vater.
»Ich war bei Sinas Yogaprüfung«, rechtfertige ich mich, weil ich es irgendwie noch loswerden will. Mein Vater schüttelt verächtlich den Kopf:
»Ja, das dachte ich mir.«
Ich erzähle ihm, dass Sina die Frau ist, die ich liebe und mit der ich alt werden möchte. »Du hast selbst gesagt, für so eine Frau müsse man alles in die Waagschale werfen.«
»Das habe ich gesagt?«
»Zu Error.«
»Aber ich habe nicht gesagt, dass man für sie eine wichtige Präsentation sausen lassen sollst. Wenn du sie einfach gehalten hättest, dann hättest du deiner Freundin einen größeren Gefallen getan.«
»Wie meinst du das?«
Was ich jetzt von meinem Vater erfahren muss, verschlägt mir den Atem: Hari-Yoga gehört seit etwa zwei Monaten Khamroff. Das Studio stand kurz vor der Schließung, mein Vater hatte den Auftrag, in Abschreibungsobjekte zu investieren, die man bei Misserfolg in Business-Lofts verwandeln könnte.
»Jessica meinte, du hättest diesen Yogaheini noch am gleichen Abend getroffen, an dem er den Deal unterschrieben hat«, sagt er. »Mit deiner Motorhaube.«
Ich suche das Zimmer nach Jessica ab, aber diesmal ist sie nirgends zu sehen. »Sie hat sich heute frei genommen«, erklärt mein Vater. »Wollte wahrscheinlich nicht deinen Rauswurf miterleben.«
»Aber warum sollte Hari sein Studio verkaufen?«
»Steuerschulden – er hatte wohl nicht die besten Berater.«
Deshalb hat er sich also im strömenden Regen in dieser Gegend herumgetrieben! Und deshalb reagierte er so allergisch auf
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