Heliosphere 2265 - Band 10: Zwischen Himmel und Hölle (Science Fiction) (German Edition)
es zutiefst, Psychologie studiert zu haben. "Setzen wir uns?"
Die First Lady nickte zaghaft. Gemeinsam gingen sie zum Sofa. Marjella hätte diese Treffen gerne in ihre Praxis oder wenigstens in die persönlichen Räume von Angelica Sjöberg verlegt. Doch der Präsident, sie korrigierte sich: der Imperator, wollte davon nichts wissen. Der Residenzsalon musste genügen.
"Danke, gut", sagte die First Lady völlig aus dem Zusammenhang gerissen. "Der Artikel zum neuen Gesetzesentwurf der Liberalen hat mich die Nacht über wach gehalten. Liemann ist wirklich ein Idiot."
Marjella nickte gelassen. Es geschah oft, dass Angelica abdriftete. Vermutlich hatte sie nur dank viel Fantasie und der Fähigkeit in eine imaginäre Welt zu flüchten, jene Zeit als Gefangene überlebt. Als Sklavin einer Parlidenrüstung, zur Bewegungslosigkeit verdammt, hatte sie zweifellos die Hölle durchlebt. Hunderte, wenn nicht gar Tausende Terraner befanden sich noch immer in Gefangenschaft.
"Ich weiß nicht, ob ich die Deadline heute einhalten kann", sagte die First Lady.
Damit war ziemlich klar, dass sie erneut eine Reise in jene Zeit unternahm, die lange vor ihrer Gefangennahme lag. Damals war sie Reporterin gewesen. Es mutete immer noch seltsam an, dass eine junge, attraktive Journalistin aus reichem Elternhaus sich auf einen mittellosen Offizier eingelassen hatte, der erst am Anfang seiner Karriere stand. Wo die Liebe hinfällt. Aber sie hätte es schlechter treffen können. Heute ist ihr mittelloser Offizier ein Imperator.
Endlich ließ der hämmernde Kopfschmerz nach. Marjella konzentrierte sich also auf das Gespräch. Schließlich reichte es aus, wenn eine von ihnen beiden in Vergangenes abdriftete.
"Wäre es denn schlimm für Sie, Angelica, falls Sie Ihre Deadline verpassen?"
"Was für eine Frage." Ein sind-Sie-noch-ganz-Dicht?-Blick traf Marjella. "Mein Chefredakteur würde mir ordentlich die Meinung sagen."
"Sie reden von Ihrem Vater?"
"Natürlich."
"Und das wäre schlimm?"
Erneut jener Blick. "Ich bin Profi. Ich lasse mich von niemandem etwas anderes nennen."
"Würde er das denn tun? Ihre Kompetenz infrage stellen?"
Die First Lady neigte leicht den Kopf zur Seite. "Du weißt genau, dass er das schon oft getan hat, Ione."
Wie elektrisiert setzte sich Marjella kerzengerade auf. Vorsichtig griff sie nach ihrem Memopad, das sie wie meist auf dem Tisch abgelegt hatte. "Wie meinst du das?"
"Denkst du, dass ich nicht weiß, was du willst?"
"Und was will ich?"
Die First Lady nickte lächelnd. "Du warst schon immer gut in diesem Spiel, Politikerin durch und durch. Aber ist dir nicht klar, was du da von mir verlangst? Wir sprechen hier von mächtigen Wirtschaftsmagnaten. Das sind Leute, die sogar der Zeitung meines Vaters gefährlich werden können."
Nur die Ruhe bewahren. Sie hält mich für die verstorbene Präsidentin, Ione Kartess. Oh mein Gott. Das ist es. Endlich. "Du hast also Angst?"
"Ach, komm mir nicht mit der Nummer." Angelica Sjöberg winkte ab. Von der schüchternen Klientin war kaum etwas geblieben. Stattdessen saß eine durchsetzungsstarke Frau vor Marjella. "Damit konnten mich schon meine Eltern nie manipulieren. Ja, ich bin Journalistin. Aber ohne Beweise kann ich nicht einfach so Artikel schreiben und publizieren. Es tut mir leid wegen der Familie des Präsidenten und ich vermag nur zu erahnen, wie furchtbar es dir nach dem Verlust von John und Liam geht." Sie seufzte. "Trotzdem glaube ich nicht daran, dass es ein solches Schattennetz gibt. Außerdem stehen dir als Innenministerin doch ganz andere Mittel zu Verfügung, als mir."
"Vielleicht, vielleicht auch nicht."
"Tut mir leid." Die First Lady griff nach einem Glas Riola, das wie immer für sie bereitstand. "Solltest du dich wirklich dazu entschließen, die Kensingtons einzusetzen - wovon ich dir dringend abrate -, werde ich den beiden Hilfestellung geben. Und falls sie mir die notwendigen Beweise liefern, ist ein Artikel drin. Doch du wirst sehen, dass an der Sache nichts dran ist."
Marjella starrte auf die zierliche Frau, die mit einem Mal förmlich in sich zusammensackte. Das Memopad hatte - obwohl es strengstens untersagt war - alles aufgezeichnet. Die Tippbewegungen ihrer Finger waren nur Scharade; Notizen benötigte sie keine.
"Sag mir warum", forderte die First Lady.
"Bitte?" Marjella räusperte sich und sah auf.
"Warst du es? Hast du sie töten lassen?"
Eine eisige Faust griff nach ihren Eingeweiden. "Wen meinst du?"
"Nein, hör auf!"
Weitere Kostenlose Bücher