Helix
bewachsenen Hügel einen Weg sucht.
Jedenfalls sage ich mir das.
Wie auch immer, nachdem ich mich etwa neunzig Minuten lang durch Unterholz und Drehkiefern gearbeitet hatte, fand ich eine Straße. Es war allerdings nicht der Peak to Peak Highway, die einzige Straße, die auf der Kontinentalscheide von Nord nach Süd verläuft. Es war stockdunkel, aber ich konnte mich nun wieder orientieren: Wenn ich dieser Zufahrtsstraße bergauf folgte, musste ich theoretisch irgendwann den Peak to Peak Highway erreichen. Ich beschloss, bei einem Bauernhaus anzuklopfen – dem einzigen Haus an dieser Straße – und zu fragen, ob der Kelly-Dahl-Campingplatz nördlich oder südlich der vermuteten Kreuzung mit dem Highway zu finden sei.
Es war ein Bumpus-Haus (wenn Sie Jean Shepherd gelesen oder die Filme gesehen haben, die auf seinen Büchern beruhen, dann wissen Sie, was ich meine). Verwittert, keine Farbe, kaputte Autos im Hof mindestens zwei Außentoiletten, eine seitliche Veranda, die abgerissen worden war – vermutlich während eines Wutanfalls von einem der Hausbewohner –, das Unkraut wucherte sechs Fuß hoch, und man konnte einen flüchtigen Blick auf graue Tiere erhaschen, die wie Opossums aussahen, nur dass sie größere Zähne hatten und zwischen den Schrottautos im Unkraut herumstrolchten … Ein waschechtes Bumpus-Haus.
Hinter der geschlossenen Haustür und durch die zerfetzten Rollläden war ein Lichtschimmer zu sehen, und so beschloss ich, nach dem Weg zu fragen. Als ich erkannte, dass das Licht grün war, hätte ich es mir beinahe anders überlegt. Es war nicht das allgegenwärtige blaue Flackern eines Fernsehers in einem dunklen Raum, sondern ein widerliches, schmieriges Grün, das pulsierte und flimmerte. Da lief kein moderner Fernseher, sondern es war ein Changieren wie aus einem Horrorfilm von Universal aus den Dreißigerjahren. Trotzdem ging ich weiter, stieg über die Betonblöcke, die früher mal die Veranda gestützt hatten, hob die Hand, um anzuklopfen … In diesem Augenblick brach explosionsartig das wildeste und unwirklichste Knurren los, das ich je gehört hatte. Es kam nicht etwa aus dem Innern des Hauses, sondern von draußen – von hinten, von der Seite oder aus dem finsteren Kiefernwald. Vielleicht … ja, vielleicht züchteten die Bewohner des Hauses Wolfshunde (was im ländlichen Colorado gar nicht so ungewöhnlich ist), und vielleicht hatten sie zehn davon im Haus und zwanzig im Hinterhof und noch einmal zwanzig im Garten und fünfzig weitere draußen im Wald. Damit hätte man das Knurren halbwegs erklären können.
Vielleicht.
Jedenfalls beschloss ich, auf die Wegbeschreibung zu verzichten und einfach weiterzugehen. Nein, eigentlich trabte ich sogar ein ganzes Stück, bis ich im Sternenlicht wieder auf der dunklen Straße stand. Nachdem ich vierzig weitere Minuten gelaufen war und an der Kreuzung mit dem Peak to Peak Highway richtig geraten hatte, dass ich nach Süden abbiegen musste, sah ich den Kelly-Dahl-Campingplatz mit den verstreuten Kuppelzelten, den Lagerfeuern und den Gästen vor mir liegen. Ich weiß nicht, ob mir schon einmal irgendein Anblick willkommener war als dieser.
All das hat natürlich herzlich wenig mit dieser Story zu tun.
Eine der Liebesgeschichten, die in »Auf der Suche nach Kelly Dahl« eingebettet sind, dreht sich um die Liebe zum Lehren. Eine andere behandelt die Liebe zum Hochland von Colorado.
Nachdem ich 1974 nach Colorado umgezogen war, konnte ich ein Dutzend Jahre lang diese beiden Lieben in unserer alljährlichen »Eco-Week Experience« miteinander verbinden. Wir waren Lehrer, unterrichteten im sechsten Schuljahr und konnten für drei Tage und zwei Nächte die Kinder in die Berge mitnehmen. Die anderen beiden Tage dieser »Öko-Woche« wurden von Ausflügen zum Wasserreservoir der Stadt, zu einer Wasseraufbereitungsanlage und zum Klärwerk ausgefüllt – zu einem Ort mit dem Geruch des Unnahbaren.
Der Kern der Öko-Woche waren aber jene drei Tage und zwei Nächte im Camp St. Malo, einem altehrwürdigen katholischen Sommercamp etwa dreißig Meilen nördlich vom Kelly-Dahl-Campingplatz am schon erwähnten Peak to Peak Highway. Die meisten Schulen fuhren im Herbst dorthin, wenn die Blätter der Espen die schönsten Farben hatten. Einige weniger glückliche Schulen des Bezirks mussten im Mai fahren, wenn im Camp manchmal noch drei Fuß Schnee lagen. Das war den Sechstklässlern aber mehr oder weniger egal – so wie einige Lehrer freuten sie sich das
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