Hell's Kitchen
wieder tief und sagte: »Ach, tut mir leid, Hock. Ich war gerade eine Weile mit meinen Gedanken woanders. Wo, das kann ich dir auch nicht sagen. Mein Kopf ist müde, wie du ja offensichtlich selbst siehst. Es schadet niemandem, aber das ist für mich auch kein Trost.«
»Was du mir da gerade erzählt hast, ist wirklich sehr interessant«, sagte ich, »und es würde mir nicht gefallen, wenn du's weitererzählst, aber vieles von dem, was du sagst, sehe ich ganz genauso. Und wenn dieses Land eine Monarchie wäre, hätte ich nichts gegen deine Herrschaft.«
Und dann lachte Lionel. Zuerst ganz leise, dann lauter, und dann konnte er sich kaum noch halten. Er lachte vielleicht volle zwei Minuten lang ein großes, herzhaftes Lachen, an dessen Ende er nach Luft schnappte. Er lachte um des Lachens willen, an dem auch seine Welt nicht mehr reich war. Und als er endlich fertig war, lag auf Lionels Gesicht das glückselige Lächeln eines halbverdursteten Mannes, dem gerade ein Glas eiskaltes Bier serviert worden war.
»Du bist in Ordnung, Hock«, sagte er. »Trotz des Bullen in dir bist du im Grunde doch immer noch der Chorknabe, der du ja, wie ich höre, vor langer Zeit mal gewesen bist... Also, wieso erzählst du mir nicht einfach, was du von mir willst?«
»Ich will dir erzählen, was seit dem Tag alles passiert ist, an dem ich wieder nach Hell’s Kitchen zurückgekommen bin. Also, man hat mir einen sehr heiklen Fall übertragen, und ich muß dir davon erzählen, und ich möchte hören, was du zu dem zu sagen hast, was ich dir gleich erzählen werde... und, wer weiß, aber vielleicht wirst du mir ja eine große Hilfe sein können.«
»Tja, dann schieß mal los«, sagte Lionel.
Also erzählte ich Lionel, wie es gekommen war, daß Buddy-O mir meine Wohnung an der Forty-third Street verschafft hatte, daß Buddy-O dann ermordet worden war, und auch von unserem Treffen erzählte ich, zu dem er nie erschienen war, und daß Howie Griffiths Buddy-Os Leiche gefunden hatte - und daß anschließend Griffiths tot in meiner Badewanne gelegen hatte.
»Ach, du meine Güte, Hock - er hat also in deiner eigenen Wohnung den Löffel abgegeben, häh?«
Außerdem erzählte ich ihm, daß Buddy-O gesagt hatte, ein Fremder sei im Viertel unterwegs, ein Schwarzer, der überall herumlief und sich nach dem Wie und Wo erkundigte, einen Killer zu engagieren. Und ich erzählte ihm von der Mitteilung, die mit einem Eispickel auf Griffiths’ Brust geheftet worden war. Und von den Morddrohungen auf den Visitenkarten gegen Father Love...
Und während ich Lionel beobachtete, der sich nachdenklich den Kopf kratzte, dachte ich darüber nach, wie gut ich alles zusammengefaßt hatte.
Seine einzige Frage nach alledem war: »Und was hat Griffiths gesagt, warum er Buddy-Os Leiche gefunden hat?«
Ich antwortete: »Zu Detective Aiello, der übrigens der erste leitende Beamte am Tatort war, hat er gesagt - und mir hat er es auch so gesagt -, daß er kürzlich gehört hätte, Buddy-O würde überall damit prahlen, demnächst einen ordentlichen Batzen Geld einzufahren. Also hat Griffiths, guter kleiner Mieteintreiber, der er nun mal ist, gesagt, er sei sofort zu Buddy-O gegangen, um zu sehen, ob er nicht endlich seine rückständige Miete bezahlen wollte.«
»Und das kaufst du ihm ab, Hock?«
Vor mir selbst mußte ich eingestehen, daß ich ihm genau das abgekauft hatte. Ich hatte gesehen, wie Howie der
Schweiß aus seiner Butterhaut geflossen war, als Aiello ihn in die Mangel genommen und Howie so schuldbewußt wegen irgendwas ausgesehen hatte, daß ich natürlich dachte, er könnte einfach nichts mit dem Mord an Buddy-O zu tun haben. Dann hatte ich mit seiner Witwe gesprochen und mußte der Tatsache ins Auge blicken, daß Howie ein ziemlicher Gierhammel gewesen war, ganz zu schweigen davon, nach eigenem Bekunden »Jünger« dieses Daniel-Prescott-Tycoon gewesen zu sein, dem Kerl mit seinem drittklassigen Buch und dem Verlangen, das Weiße Haus seinem Immobilienbesitz einzuverleiben. Zu Lionel sagte ich: »Im Augenblick bin ich für alles offen, was über das hinausgeht, was der verstorbene Howie Griffiths an dem einzigen Tag von sich gegeben hat, an dem ich ihn lebend gesehen habe.«
»Ja, nun, ich würde es für das beste halten, aufgeschlossen zu bleiben, was den guten alten Howie betrifft«, sagte Lionel verächtlich schnaubend. Und dabei erinnerte ich mich daran, wie Aiello mich informiert hatte, daß Griffiths Erkundigungen über mich - und wo im
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