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Hell's Kitchen

Hell's Kitchen

Titel: Hell's Kitchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Adcock
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wirst, eine Weile davon abgehalten hat, etwas zu stehlen, was wiederum zur Folge hat, daß ich meine Miete nicht bezahlen kann.
    Eins führt zum anderen, und dann kommt der schreckliche Tag, an dem ich mich in der Situation wiederfinde, in der meine Vermieterin meinen Koffer festgenagelt hat, damit ich mich nicht unbemerkt verdrücken kann, und wenn ich in mein Zimmer zurückkehre, wird sie mich zweifellos auch festnageln.
    So, das war vor ungefähr fünfundzwanzig bis dreißig Jahren, und seitdem wohne ich hier, mietfrei. Und, Bruder, du glaubst, ihr Leute da oben hättet ein paar stürmische Veränderungen in der Welt erlebt?
    Herr im Himmel, Hock, was hier unten war, als ich hierher umgezogen bin, war alles andere als das, was man die Freude einer Debütantin nennen würde - aber wenigstens waren wir anständig und ehrenhaft, auch wenn wir finanziell gesehen pleite waren. Oh, alle Jubeljahre dreht hier mal einer durch, weil er die spiritushaltigen Tabletten von einem Campingkocher gegessen, irgendeinen Fusel mit zuviel Blei drin geschluckt hat oder irgendwas in der Richtung - aber das alles war ein Nichts im Vergleich zu dem, was dieses Crack-Zeug angerichtet hat; das und Habgier, und wie uns das alle auf das Niveau von irren, tollwütigen Hunden absteigen läßt.
    Tja...« Und plötzlich verstummte Lionel.
    Und er seufzte, und dies war ein furchtbarer Seufzer aus den tiefsten Tiefen der Seele eines ehrenhaften Diebes, ein Seufzer, der nach tausend Jahren Erfahrung klang, der Laut eines Mannes, der genau weiß, daß gleichgültig, wieviel Weisheit er auch immer in seinem Leben weiterzugeben versucht hat, es doch nur ein winziges eigenwilliges Sandkorn auf dem Strand ist.
    »Ich glaube, was ich dir klarmachen will, Hock, ist ganz einfach: nämlich daß es nicht mehr viel Ehre auf dieser Welt gibt. Nicht mal hier unten im Dschungel, und es schmerzt mich, das zugeben zu müssen. Selbst hier verlieren wir den Blick dafür, wie wir anständige Männer und Frauen sein können. Und ich fühle mich so alt und schwach, nachdem ich all die Jahre meines Ruhestandes dem Leben als König dieses Dschungels gewidmet habe - und immer versuche, wenigstens mein kleines Königreich hier frei von dieser gefährlichen Vorstellung zu halten, die ich vorhin erwähnt habe, daß nämlich das Eigentum angeblich heilig sein soll.«
    Eine ganze Weile sagte er dann nichts mehr. Sein Gesichtsausdruck wurde leer, und er starrte an mir vorbei, ruhte sich vielleicht aus, bis er soweit war, mir finden zu helfen, was ich in seinem Dschungel finden mußte, in seinem Königreich unter den Straßen. Und diesen Punkt würde er erreichen, das wußte ich, aus dem einfachen Grund, daß er uns beiden einen großen Gefallen tat, wenn er mir half.
    Ich blickte auf diesen buschigen alten Kopf, auf sein dichtes, verfilztes braunes Haar voller grauer Strähnen. Wenn ein Mann seinen Vater nie gekannt hat, sieht er Männer etwa im Alter seines Vaters an, wie ich es tue - voller Wehmut, vergleicht ihr Äußeres mit dem, wie er sich vielleicht den Alterungsprozeß seines nie gekannten Vaters vorstellt.
    Mein eigener Vater könnte, würde er noch auf dieser Erde wandeln, etwa so aussehen wie Lionel. Mein Vater, der geschrieben hatte, was ich mir vor so langer Zeit sofort eingeprägt hatte: Die Welt ist verrückt geworden, und eine moralische Wahrheit hat ohne riesige Armeen auch nicht die geringste Chance gegen den Teufel; und Gottes eigene herrliche Armee hat nicht die geringste Chance ohne Spione und Verrat und Geheimcodes und Tücke und Propaganda und die verschlungensten Komplotte und alle Arten von Täuschung und Grausamkeit, die nötig sind, um die menschliche Zivilisation zu bewahren ...
    Und so oft saß der Geist meines Vaters im Dunkeln auf der Kante meines Bettes und erzählte mir Dinge...
    Und es kam mir in den Sinn, daß dieser Ort, an dem ich jetzt mit diesem schäbigen, alten weisen Mann mit seiner buschigen Mähne saß - Lionel, der im Nebelschleier seiner schweren Zeiten die Hälfte seines Namens vergessen hatte; Lionel der Holy Redeemer, der sich oben in der anderen Welt ein paar Nickel mit Leergut verdiente und manchmal ein paar bescheidene Dollar als mein Spitzel annahm; und auch Lionel der König des Dschungels -, sehr wohl der Ausgangspunkt der Spur des Geldes sein konnte.

    Ich berührte seine Schulter. »Lionel?« Er sah mich an, doch ich konnte nicht erkennen, ob er mich wirklich sah. Ich berührte ihn wieder. »Lionel?«
    Dann seufzte er

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