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Hell's Kitchen

Hell's Kitchen

Titel: Hell's Kitchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Adcock
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und Regale nicht mitgezählt, die er in die Wände geschnitzt hatte, um seine Habe aufzubewahren - größtenteils Illustrierte und Zeitungen und Konservendosen. Es gab ein Feldbett und alte Autoreifen, die in der ungefähren Form einer Couch aufgestapelt waren. Lionel setzte sich auf die Kante seiner Pritsche, und ich nahm die Reifen.
    Hinter Lionel befand sich ein Sims mit einem kleinen Stoß Bücher darauf und einer vierten, nicht brennenden Petroleumlampe. Das war vermutlich seine Leselampe. Dort stand auch ein Aschenbecher mit zahllosen hellbraunen Kippen.
    Er bot mir seinen Bull-Durham-Tabak und ein paar braune Zigarettenpapierchen an. Ich wollte keine Zigarette, drehte mir aber dennoch eine, um nicht unhöflich zu erscheinen. Wir rauchten. Lionel entschuldigte sich, zu den Zigaretten keinen Kaffee oder Alkohol anbieten zu können.
    Während wir uns unterhielten, bemerkte ich, daß Lionels näselnder Tonfall des Mittleren Westens ein Akzent von der Sorte war, der einen Cop leicht denken ließ, einen Einfaltspinsel vor sich zu haben, falls der Cop zufälligerweise selbst ein schlichtes Gemüt hatte. Was ich leider, wie ich zugeben muß, eine ganze Weile gehabt hatte.
    Denn jetzt erfuhr ich, daß Lionel der Holy Redeemer ebenfalls der König des Dschungels war.

21

    »Du willst wissen, wie ich König dieses Dschungels geworden bin, häh?«
    Lionel strich sich übers Kinn.
    »Darauf gibt’s eine kurze Antwort«, sagte er. »Die lautet, ich bin der älteste und cleverste Kerl hier. Es gibt auch noch eine längere Version...«
    Dann zog er eine Brille mit dicken Gläsern aus der Brusttasche seines Hemdes, und als er sie aufsetzte, wurden seine blauen Augen riesengroß. Er sagte, es würde ihm helfen, ernst zu nehmen, was er zu sagen hätte, wenn er denjenigen genau sah, mit dem er redete.
    »Ich habe als ganz normaler Spießer angefangen und wie alle anderen gearbeitet. Ich hatte keine Ausbildung oder ähnliche Chancen. Himmel, Hock, ich habe ehrlich vergessen, wieso ich keine Chancen hatte... Wenn man mein Alter erreicht, ist man schon froh und glücklich, wenn man noch weiß, wie man redet, also macht man sich keine Gedanken über das, was einem aus dem Kopf entschwunden ist.
    Jedenfalls, ich hab all die üblichen beschissenen Jobs gemacht. Drüben in Michigan, wo ich herkomme, habe ich in verschiedenen Geschäften ausgefegt und saubergemacht, hab eine Weile in den Autofabriken gearbeitet. Als Vertreter für allen möglichen Kram habe ich in Michigan und Ohio die Klinken geputzt, anschließend auch noch in Pennsylvania und danach in Jersey, wo ich viele Jahre in Passaic gelebt habe. Und die ganze Zeit habe ich immer wieder Burschen getroffen, die stolz darauf waren zu sagen, daß sie zwanzig Jahre Berufserfahrung hatten, und wirklich, dabei mußte ich immer denken, daß es doch nur zwanzigmal die Erfahrung von so ungefähr einem einzigen Jahr war.
    Ich denke nicht dran, meine schlechte Einstellung anständigen Jobs gegenüber zu entschuldigen, okay? Ich habe herausgefunden, daß Jobs eine Menge harter Arbeit und nie genug Geld bedeuten, um wie ein Mensch leben zu können, besonders dann, wenn ein Bursche auch noch verheiratet ist und Kinder hat.
    Was ich also gemacht habe? Ich habe angefangen, mir das zu verschaffen, was ich für ein Leben als anständiger Mensch brauchte. Was man stehlen nennt, wofür man mich immer wieder in den Knast gesteckt hat, wenn ich dabei erwischt wurde.
    Tja, und die ganze Zeit, die ich in dem einen oder anderen Knast gesessen habe, hab ich meistens mit Lesen verbracht - wenn ich nicht gerade zu sehr damit beschäftigt war, mich über die Schwulen und ihre warmen und liebevollen Anträge kaputtzulachen. Das war dann schließlich meine Ausbildung.
    Im Knast habe ich immer Geschichtsbücher gelesen. Aus irgendeinem Grund rangieren Geschichtsbücher ziemlich weit oben bei den Leuten, die Gefängnisbibliotheken zusammenstellen. Keine Ahnung, vielleicht denken die, ein verstaubtes altes Geschichtsbuch wird die Knackis schon nicht zu sehr aufregen. Bei mir hat es nur bewirkt zu lernen, zwischen den Lügen zu lesen, aber ich schätze, man könnte vielleicht sagen, ich bin einfach von Natur aus ein zynischer Bastard.
    Die Geschichte ist letzten Endes - und du als Cop wirst das sicher besonders gut verstehen - nur ein Polizeiregister der großen Verbrechen dieser Welt. Was all die verschiedenen Kriege einschließt, in denen Millionen irregeleiteter kleiner Burschen gestorben sind, genau wie

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