Hell's Kitchen
getroffen hatte. Das dürfte das berühmte Treffen zu einem Lunch, bestehend aus Mooseheads und Kalbfleisch-Sandwiches, im Ebb Tide gewesen sein, das Treffen, dessen Zeuge Angelo geworden war.
Monas Plan, Father Love Angst einzujagen, schloß nicht den Versuch ein, in Hell’s Kitchen einen Auftragsmörder zu finden. Dieser Teil war ganz allein Roys Idee, und dazu mußte er Harlem verlassen, wo man ihn zu gut kannte. Er hatte alles darüber gehört, was mit einem alten Westy-Ganoven unten in Hell’s Kitchen los war, und die Westies waren früher berühmt-berüchtigt für Auftragsmorde gewesen. Daher gab es eine gute, solide Symmetrie, die jeder halbwegs kompetente Staatsanwalt Roy Dumaine für den Anfang schon mal anlasten könnte.
Als Roy herausfand, daß er im Gegensatz zu seiner ursprünglichen Annahme in Hell’s Kitchen vielleicht doch keinen altmodischen Auftragsmörder mehr finden konnte, griff er auf einen Alternativplan zurück. Und dieser Plan schloß den großen, taubstummen und unehelichen Sohn von Father Love ein. Also fand Dumaine eine Möglichkeit, auch noch Jim und Heidi zu kontrollieren; und er legte sich einen Plan zurecht, nach dem Jim zuerst Buddy-O, von dem zu viele Leute wußten, daß er kurz davorstand, mir den ganzen Waterman-Prescott-Schwindel zu verraten, und dann auch noch Griffiths umlegte, von dem er befürchtete, daß er schließlich zusammenbrechen und zu den Cops gehen würde. Und natürlich wollte er auch Father Love beseitigen.
Jim war das naheliegende Werkzeug. Um Jim allerdings dazu zu bewegen, die Jobs zu erledigen, mußte er Heidi in der Hand haben. Was nicht sonderlich schwer gewesen sein dürfte: Er mußte sie nur überzeugen, daß alles, was er ihr sagte, um Jim zu lenken, Father Love eine Freude machte.
Sollte etwas mit seinem Plan schiefgehen, konnte Roy davon ausgehen, daß niemand ihn mit einer verrückten Alten in Verbindung bringen würde, die in einem Erdloch unten in Hell’s Kitchen lebte - oder mit einem geistig behinderten Taubstummen, um den sie sich kümmerte.
Aber so ist nun mal das Schicksal von Fassaden.
Ich machte noch einen weiteren Anruf und erwischte einen Anrufbeantworter. Ich hinterließ meine Adresse auf der West Fifty-second Street und die Uhrzeit, an der ich beabsichtigte, dort zu sein - und die Nachricht: »Zeit für ein Familientreffen.«
Ein übermannshoher Maschendrahtzaun mit einem Tor, das durch ein Vorhängeschloß gesichert war, umgab den kleinen Hof. Drei Schneiderpuppen nahmen den Hof in Beschlag.
Kerzengerade standen sie da, wie auf Stangen aufgespießte Vogelscheuchen. Eine trug ein Kleid mit einem Spitzenkragen und Puffärmeln. Die leeren Ärmel flatterten in der feuchten Brise, die von den Piers herüberwehte. Eine andere trug ein Herrenhemd und Krawatte. Die dritte war mit lauter Bändern und - wie es schien - billigem Modeschmuck ausstaffiert.
Doch jetzt schaute ich genauer hin. Der Schmuck stammte nicht aus irgendeinem billigen Ramschladen. Er stammte von Father Loves leblosen Fingern, von seinem Kragen, seiner Krawatte. Das Kleid der einen Puppe - wer weiß? Aber ich hielt es für einen ziemlich heißen Tip, daß die Männerkleidung, die ich sah, von Buddy-Os und Howie Griffiths’ Leichen stammte.
Nur noch wenige Minuten bis Mitternacht. Ich stand in der tiefen Dunkelheit und lauschte.
Der Wind frischte auf. Eine Kaffeedose schepperte über den Bürgersteig. Auf der Eleventh Avenue rasten Autos und Lastwagen über regennassen Asphalt Richtung Downtown. Leise hallten Nebelhörner auf dem Wasser.
Gegen die schleichende Kälte in den Zehen trat ich von einem Bein aufs andere. Und wartete...
Aus dem Hausinneren tönte eine rauhe Stimme: »Erhebt euch aus eurer Verderbtheit! Tut Buße!«
Und dann das Geräusch, das ich hören wollte, weswegen ich gekommen war...
Das Klavier.
Sie spielte für ihn Klavier, und Jim genoß das Pochen der Saiten, während er sie mit seinen Händen spürte. Es war genau so, wie Mona es mir erzählt hatte, daß er auf diese Weise das Spiel auf dem Klavier seines Vaters »hören« konnte.
Ich hatte Jim vorgeschickt und blieb in den Schatten, als Heidi ihn in das Haus ließ, das aussah, als würde es jeden Augenblick einstürzen.
Und jetzt war da noch ein anderes Geräusch. Schritte hinter mir. Ich drehte mich um und sah Sam Waterman jun., der in seinem Trenchcoat näher kam.
»Gehen wir«, sagte er. Nicht mehr.
Ich ging zur Tür voraus und klopfte an. Als Heidi zu spielen aufhörte, kam
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